Camping mitten in Berlin

Zu Besuch in der Wohnmobil Oase in der Hochstraße 

Mit Caravan oder Wohnwagen unterwegs zu sein, das hat etwas von Freiheit und Naturverbundenheit. Man kann es fast schon hören, das Meeresrauschen, Grillenzirpen oder Vogelgezwitscher. Städtereisen hingegen verbindet man gern mit Hostels, Bed and Breakfast, einer lauschigen Pension oder neuerdings AirB’nB. Dass aber auch beides, Camping und Großstadt, zusammen gehört, können wir jetzt in unserer direkten Nachbarschaft erleben.

„Mitten drin statt nur dabei“ lautet das Motto der Wohnmobil-Oase Berlin. Es hat zwei Bedeutungen. Erstens befindet sich der Parkplatz für Wohnmobile in der Mitte von Berlin (Hochstraße 4, Nähe S- und U-Bahnhof Gesundbrunnen). Sämtliche Sehenswürdigkeiten sind sehr schnell mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Zweitens sind in der Wohnmobil-Oase hauptsächlich geistig und körperlich beeinträchtigte Menschen beschäftigt, die dadurch mitten im Leben stehen können.

Die Geschichte der Wohnmobil-Oase begann 2010 in Venedig, Italien, als die heutige Besitzerin Katleen Schmidt und ihr Mann dort ein ähnliches Geschäftsmodell entdeckten. Die Frage, die sich den beiden daraufhin auftat, war, ob man dies nicht auch in Berlin probieren kann. Die Idee mit geistig und körperlich beeinträchtigten Menschen zu arbeiten kam daher, dass einer ihrer beiden Söhne selbst behindert ist und er trotz einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung keinen Arbeitsplatz fand. Er ist nicht der einzige, dem es so ergeht.

Von der Idee bis zur Eröffnung dauerte es aufgrund der Bürokratie in den Ämtern ziemlich lange, um genau zu sein sechs Jahre. In einigen Berliner Stadtbezirken stießen die Caravan-Begeisterten auf Granit, etwa in Köpenick wurde ein Antrag abschlägig beschieden. In Mitte hingegen gelang es, eine unbefristete Erlaubnis für den ehemaligen Recycling-Hof zu bekommen. Vor allem für die Unterstützung von Frau Pistorius im Bezirksamt ist Katleen Schmidt sehr dankbar. Über die ablehnende Haltung vieler Beamter kann sie sich nur wundern: Immerhin sind Wohnmobilisten zumeist wohl situiert und lassen oft viel Geld in der Nachbarschaft.

Vor der Eröffnung im Herbst 2016 hatte die Familie außerdem 2015 mit dem Tod des Mannes einen großen Schicksalsschlag zu verarbeiten. Katleen Schmidt ließ den Kopf trotzdem nicht hängen. Strom musste gelegt, Stellplätze markiert, Bäume gefällt, Duschen und Toiletten installiert und der Empfangsraum eingerichtet werden. Dass der große Platz heute immer noch unfertig aussieht, stört nur einen Teil der Gäste.

Viele unterstützen die Idee von Katleen Schmidt, die neben dem touristischen auch den sozialen Zweck der Anlage sieht. „Mit der Zeit wird sich der Platz weiter entwickeln. Wir haben nicht das Budget, hier sofort alles total herauszuputzen. Aber wir haben viele Pläne.“ Ein Schritt dabei war es, auf Teilen des Platzes das alte Kopfsteinpflaster freizulegen.

Frau Schmidt, die lange Jahre selbst begeistert mit Zelt, Wohnwagen oder Caravan in Europa unterwegs war, gibt der Anlage gute Chancen. Denn im innerstädtischen Bereich gibt es keine weiteren Stellplätze für Wohnmobile. Die saisonale Abhängigkeit ist nicht so groß, wie man vermuten würde: „Klar ist im Sommer Hochsaison. Aber viele Wohnmobilisten leben das ganze Jahr in ihren Wagen, sind unabhängig in jeder Hinsicht. Das sind nicht nur deutsche Gäste, hierher kommen Menschen aus ganz Europa.“ Selbst heute, bei 5° Celsius und Nieselregen, stehen sicher fünfzehn Wohnmobile auf dem Platz.

Inzwischen ist die Oase ein gut besuchter Stellplatz für 100 Wohnmobile in zentraler Lage. Die Rezeption ist täglich von 7.30 bis 20.00 Uhr geöffnet. Dort können die Gäste auch Brötchen bestellen, Fahrkarten kaufen, sich touristisch über Berlin beraten lassen und es gibt ein wechselndes Angebot an Getränken und Speisen je nach Jahreszeit.

Momentan sind fünf Mitarbeiter im Einsatz, auch beide Söhne. Die Betreiberin der Wohnmobil-Oase freut sich, in diesem Jahr mindestens fünf weitere Mitarbeiter in Zusammenarbeit mit dem Annedore-Leber-Berufsausbildungswerk Berlin einstellen zu können. Die Mitarbeiter arbeiten nicht ganztags, was kein Problem darstellt. Die Gäste wissen über die Einschränkungen der Mitarbeiter bescheid. Deshalb stört es sie auch nicht, wenn sie Dinge mehr als einmal erklären müssen, berichtete uns ein Gast, der seit letzter Woche hier Urlaub macht. Ein Zeichen für die Stimmung auf dem Platz: Den jeden Samstag stattfindenden Camper-Treff am Lagerfeuer machen die meisten Gäste und Mitarbeiter immer wieder gerne mit. Eine Neuigkeit am Schluss: Der alte Zaun um das Gelände der Wohnmobil-Oase wird demnächst von Weddinger Jugendlichen mit zuvor ausgewählten Graffitibildern zum Thema Berlin verschönert.

 

Text: Sina Klöppel, Armin Köhne, Johannes Hayner

Fotos: Sina Klöppel, Johannes Hayner