Mehr Platz im Schatten!

Projektleiterin Natalie Schlichting von „sicher – sauber – grün“ im Interview

„Aber ich will im Schatten sitzen!“ Das ist die einzige Bedingung, die Natalie Schlichting für unser Interview stellt. Wir haben uns an einem sommerlichen Tag auf der Stettiner Trasse* getroffen, um über das jetzt startende QM-Projekt „QM Badstraße – sicher, sauber, grün“ zu sprechen.

Die junge Frau ist die Projektleiterin und meinte, dass es doch gut wäre, sich genau dort zu treffen, wo das Projekt tätig wird. Nun stehen wir auf dem kleinen, quadratischen Platz gegenüber der Klever Straße und suchen schattige Bankplätze. Die sind zwar da, aber dann dürfte man im Sitzen nicht größer als 80 cm sein – darüber ist alles von Büschen überwuchert. Also nehmen wir zähneknirschend mit einer Bank im gerade mal Halbschatten vorlieb – und sind natürlich sofort im Thema. Denn was uns hier am Schattensitzen hindert, ist zwar Grün, aber wucherndes Grün – und dem soll mit den Projektmitteln möglichst effektiv Paroli geboten werden.

 Die Stettiner Trasse in der Grüntaler Straße: Wildwuchs kennzeichnet das Gesamtbild

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Zusammenfassend betrachtet beinhaltet das Projekt zwei Stoßrichtungen: einen analytisch-konzeptionellen und einen praktischen Teil. Der Fokus im ersten Teil liegt darauf, ein Konzept für die Qualifizierung der Grün- und Freiflächen im QM-Gebiet zu erstellen. Dazu startet Natalie Schlichting eine Bestandsanalyse, die bestehende Nutzungskonflikte, Angsträume sowie verwahrloste oder aufwertungsbedürftige Flächen auflistet. Hinzu kommt die Frage, wie in den Nebenstraßen des Quartiers, die zum Teil sehr breiten Gehsteige genutzt werden und wie man sie so umgestalten könnte, dass sie eine Verbesserung des Nachbarschaftsgefühls unterstützen. All dies soll nicht nur die Interessen der Anwohner berücksichtigen, vielmehr sollen sie aktiv einbezogen werden. Auch dafür hat sich Natalie Schlichting Besonderes einfallen lassen. So soll es eine nächtliche Kiezbegehung als Laternenumzug geben. Gemeinsame Picknicke führen die Menschen an die Orte, die einer Veränderung unterzogen werden sollen. Bei Kaffee, Tee oder Kuchen können die Nachbarn dann sagen, was sie sich konkret dort vorstellen können.

Während der guten halben Stunde, die wir miteinander sprechen, stellt sich manchmal Verwirrung bei mir ein. Was allerdings nicht an Natalie liegt, die es versteht, sich klar und strukturiert zu äußern. Sondern daran, dass die Entwicklung des Projektes in den letzten Tagen einen hohe Dynamik aufweist. Gerade im praktischen Teil muss vieles schnell und mit großem Aufwand bewältigt werden und die Koordination der Maßnahmen ist abhängig von externen Faktoren. Folgende Baustellen (zum Teil im Wortsinn) werden in den nächsten 16 Monaten – so lang läuft das Projekt zunächst – eröffnet. (Und natürlich abgeschlossen, wenn alles nach Plan läuft.)

1. Auf der Stettiner Trasse engagiert sich das Projekt bis Ende 2018 für die drei namensgebenden Kriterien Sicherheit, Sauberkeit und „Grünheit“. Zudem werden frei gebliebene Mittel aus dem Quartiersfonds 2017 noch für Rodungs- und Pflanzarbeiten auf der Stettiner Trasse eingesetzt.

2. Außerdem hat sich das Projekt auch die Klimaverbesserung im QM-Gebiet vorgenommen. Als klimatisch wirksame Maßnahmen wurde Folgendes identifiziert: Auf die Vegetation bezogen ist die Neupflanzung von Schatten spendenden Stauden, die Installation frei stehender Rankhilfen und die Entfernung unattraktiver Spontanvegetation geplant. Außerdem sollen Sonnensegel an bestimmten Orten zur Verfügung gestellt, Wasseranschlüsse zur Pflanzenbewässerung installiert und Vorrichtungen zum Sammeln von Regenwasser eingerichtet werden.

3. Eine Brachfläche in der Böttgerstraße wird der Bewohnerschaft zugänglich gemacht. Neben der „Projektzentrale“ entsteht dort ein Areal für Urban Gardening, auf dem Nachbarinnen und Nachbarn gemeinsam dem Anbau von Obst und Gemüse frönen können. Die beiden Stoßrichtungen – konzeptionell und praktisch – werden zusammen gefasst, indem mit den Erfahrungen der Umsetzung und den Ergebnissen der Analyse ein Konzept der Grünflächengestaltung für das gesamte QM-Gebiet entsteht.

Die Rotbuchen links im Bild sind Spontanvegetation, also nicht gepflanzt 

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Für die Umsetzung stehen dem Projekt insgesamt 50.000 € zur Verfügung, hinzu kommen die Mittel aus dem Quartiersfonds für dieses Jahr. „Nicht viel, gerade wenn man nachhaltige Maßnahmen einleiten will. Aber immerhin, damit kann man schon mehr als nur Akzente setzen“, findet Natalie Schlichting, die Gartenbau studiert hat und früher bei der Grünen Liga arbeitete. Mit Agrarbörse Deutschland Ost e.V. steht hinter Natalie Schlichting ein erfahrener Träger. Trotz des etwas irreführenden Namens – Natalies Freunde dachten zunächst, sie verkaufe nun Saatgut – hat der Verein eine ausgezeichnete Expertise mit Projekten in ganz Berlin und Brandenburg. Unter anderem setzte er den Garten der Begegnung in Marzahn-Hellersdorf um, einem Ort, wo sich die Nachbarschaft zum Gärtnern, Reden und Feiern trifft. Natalie Schlichtings freut sich, dass sie nun in ihrer direkten Nachbarschaft arbeiten kann, denn sie wohnt seit fünf Jahren gleich um die Ecke in der Osloer Straße. Mit ihrem Sohn zusammen hat sie die Spielplätze ihres Kiezes getestet und weiß, dass viele Nachbarn lieber auf die geschützten Spielplätze gehen als sich einfach so auf der Stettiner Trasse aufzuhalten.

Wer sich die Stettiner Trasse in Google Street View anschaut, wird auf den Aufnahmen eine gut gepflegte Parkanlage, freilich im Winter, finden. Seit den Aufnahmen sind allerdings Jahre ins Land gegangen. Heute sind die Rasenflächen schlecht gepflegt, Brennnesseln schießen aus den Rändern der Hecken. Worüber sich manch Vogel freut, führt zur Verunsicherung der Anwohner: Hinter den wuchernden Hecken fühlen sich gerade Jugendliche, Frauen und ältere Menschen nicht sicher. Teile der entstandenen Spontanvegetation sind schon mehr als mannshoch, etwa eine kleine Gruppe von Rotbuchen. Wie das gesamte Projekt soll auch die Umgestaltung dieser Fläche unter Einbeziehung der Bewohnerschaft durchgeführt werden. Mit der richtigen Ansprache und Motivation ist Natalie zuversichtlich, engagierte Nachbarinnen und Nachbarn zu finden. Erste Kontakte in Jugendklubs etc. sind geknüpft. Die Bewohner müssen auch nicht mit roden oder Unkraut zupfen, aber sie können mitreden. Wenn eine Einrichtung an der Stettiner Trasse also einen Rosenstrauch vor der Tür haben will, gibt es keinen Grund, dies nicht zu ermöglichen.

Diesen kleinen Platz gegenüber der Klever Straße sieht Natalie Schlichting bei der Neugestaltung der Stettiner Trasse im Mittelpunkt

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Bei der Umgestaltung der Stettiner Trasse will sich Natalie Schlichting vor allem auf den zentralen Platz gegenüber der Klever Straße konzentrieren. Hier eine ordentliche Bepflanzung mit Rosen, Lavendel und Sommerblumen zu etablieren, die Bänke ordentlich herzurichten und die Hecken zurück zu schneiden – das würde diesen auch heute noch schönen Ort wieder zu einem tollen Begegnungsort für die Nachbarschaft machen. Und ihn ein wenig aus der Vorherrschaft der Trinker, die sich regelmäßig dort treffen, befreien. Neben der gärtnerischen Pflege des Areals geht es dem Projekt auch um Information und Aufklärung. So sollen Infoabende etwa zum Thema Hundekot oder Sperrmüll die Anwohnerschaft sensibilisieren. Aus dem gesammelten Sperrmüll könnte eine Skulptur entstehen, die prototypisch eine Alternative zur illegalen Entsorgung aufzeigt.

Nun, die Zeit drängt ein wenig, denn 2017 ist nicht mehr lang und außerdem macht es Sinn, die großen Rodungs- und Räumaktionen vor der neuen Vegetationsperiode 2018 abzuschließen. Am 8.9., dem Tag des bürgerschaftlichen Engagements, gibt es eine Putzaktion, zu der alle Interessierten eingeladen sind. Treffpunkt ist 14 Uhr vorm QM-Büro in der Bellermannstraße 81. Die nachfolgende Rodungsaktion wird im November stattfinden, allerdings gibt es noch keinen mit dem Grünflächenamt abgestimmten Termin dafür.

Auf dieser Brachfläche in der Böttgerstraße soll die Anlaufstelle für das Projekt „sicher – sauber – grün“ entstehen

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Direkt gegenüber des Eingangs zur Kletteranlage Magic Mountain in der Böttgerstraße befindet sich eine Brachfläche. Die meisten Anwohner werden die Fläche einfach übersehen – denn sie ist völlig zugewuchert und bildet einen „grünen Block“ in vielen Farbnuancen. Niemanden würde es wundern, wenn sich darin seltene Fauna oder Flora versteckt. Hier wird das Projekt seine zentrale Anlaufstelle einrichten – in einem Bauwagen, der demnächst dort abgestellt wird. Zunächst aber muss gerodet werden und auch das im kommenden Winter. Das Grundstück ist eine Vorhaltefläche für eine Schule oder einen Spielplatz, wobei noch völlig unklar ist, wann dort Bauarbeiten angegangen werden. Es kann auch erst in zehn Jahren passieren. Also handelt es sich um eine temporäre Zwischennutzung. „Aber klar freuen wir uns, wenn es ein bisschen länger laufen könnte als die anderthalb Jahre“, gibt Natalie zu. Immerhin sei die Lage zwischen Kletterhalle, Gesundbrunnen und Humboldthain ideal.

Natalie Schlichting freut sich darauf, ihr Lebensumfeld nun auch professionell mitgestalten zu können. „Ich kenne sogar die Leute, die hier Dreck machen. Die sind richtig nett. Aber natürlich geht das so nicht. Vielleicht hilft es da ja, dass wir uns schon kennen.“ Und findet sie die Priorisierung bei der Vergabe der QM-Projekte richtig, also dass sich das erste QM-Projekt mit ihrem Themenfeld auseinander setzt? „Ich finde Sicher – Sauber – Grün sind genau die drei Themen, die wichtig sind in diesem Kiez. Leider ist das Projekt zu kurzfristig angelegt. Aber daran kann auch das QM nicht rütteln.“ Man darf also gespannt sein auf das neue Projekt und seine Aktivitäten.

Wer jetzt beim Lesen den Faden verloren hat oder noch mehr wissen will: Es gibt bald eine Gelegenheit!

Sie sind herzlich eingeladen zur Putzaktion am 8. September um 14:00 Uhr.

Treffpunkt: QM-Büro, Bellermannstraße 81

 

* Die Stettiner Trasse läuft entlang der Grüntaler Straße – beginnend von der Badstraße, die Osloer Straße querend bis zur S-Bahn-Unterführung Richtung Pankow. Der Name rührt daher, dass hier bis Ende des 19. Jahrhunderts die Bahnstrecke Richtung Ostsee verlief.

Text und Fotos: Johannes Hayner