Der Apfel in der Badewanne

Zu Gast in der Lernwerkstatt Zauberhafte Physik

Die Geschichten gehen so: Isaac Newton saß unter einem Apfelbaum. Als ihm ein Apfel auf den Kopf fiel, brachte ihn das auf das Gravitationsgesetz. Archimedes stieg abends in die Badewanne. Dabei erkannte er den Zusammenhang von Dichte, Volumen und Gewicht. Zwei anekdotische Beispiele dafür, wie alltagsbezogen Physik, die "Königin der Naturwissenschaften", sein kann. Aber auch hier im Kiez macht man sich Gedanken darüber, wo Physik jeden Tag sichtbar und erlebbar ist – in der Lernwerkstatt der Lichtburg-Stiftung „Zauberhafte Physik“.

 

Die Kinder erobern die Werkstatt

––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

Ein Dienstag früh um halb elf. Ortstermin Ecke Bellermann-/Heidebrinker Straße. Hier hat die "Zauberhafte Physik" ihren Sitz. Eine Kindergartengruppe hat sich angekündigt, man solle doch einfach dazu stoßen, empfiehlt Klaus Trebeß, der Werkstattleiter, am Telefon. So macht man sich auf einiges gefasst, kleine Kinder können ja laut und anstrengend sein. Doch dann: konzentrierte Stille. Nicht die Art von Stille wie im Lesesaal der Staatsbibliothek, aber doch so still, wie eben ungefähr fünfzehn 5- bis 6-jährige Kinder sein können, die auf ihren Plätzen sitzen und gespannt und angeregt an etwas tüfteln. Elektrische Experimente stehen auf dem Programm und die Kinder versuchen, mit Batterien kleine Glühlampen zum Leuchten zu bringen, lassen ihre Haare an elektrisch geladenen Objekten kleben und bringen mit Elektrizität Metallspäne zum glühen. Sie sind verteilt auf zwei Tische, an einem sitzt Trebeß, der andere wird von seiner Kollegin Frigga Wendt angeleitet.

Eisenspäne und eine Batterie machen Feuerwerk

––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

Alle drei Experimente laufen nach dem gleichen Muster ab. Die Werkstatt-Zauberer Trebeß und Wendt führen den Kindern das Experiment vor - allerdings ohne sich in die Karten gucken zu lassen. Die Kinder versuchen nun, neugierig geworden, das Experiment zu wiederholen. Und müssen dabei Strategien entwickeln, wie sie beispielsweise die Glühbirne zum Leuchten bringen. Klaus Trebeß: "Die Werkstatt soll die Kinder dazu bringen, eigene Ideen zu entwickeln, Fragen zu stellen, wissenschaftliches Denken spielerisch zu erlernen. Mit Hilfe dieser Herangehensweise vor dem und im Grundschulalter soll den Kindern die Bedeutung der Naturwissenschaften vermittelt werden."

Vernetzung - nicht nur bei der Verschönerung der Fenster ein Thema

––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

Die Werkstatt, deren Leitung der Pädagoge Klaus Trebeß 2014 übernommen hat, wird hauptsächlich von Kindergartenkindern und Grundschulkindern besucht. Während vormittags vor allem Kindergartengruppen und Schulklassen mit Termin kommen, gibt es an den Nachmittagen die offene Werkstatt. Dann sind jede Besucherin und jeder Besucher hier willkommen. Für die offene Werkstatt nimmt Klaus Trebeß in Anspruch, eine den QM-Zielen entsprechende Arbeit zu leisten: "Nicht selten sind nachmittags 25 Kinder hier, die kommen, um zu experimentieren. Dadurch fangen wir einiges von dem ab, was sich sonst auf die Straße verlagern würde." Die Nachmittags-Kinder sind älter, bis 12 Jahre. Viele von ihnen kommen jetzt schon im dritten Jahr - so lange, wie es die offene Werkstatt gibt. Sie können sich hier ausprobieren, sollen eigene Ideen entwickeln und auch umsetzen.

Der Lohn der Mühen: die Glühlampe leuchtet

––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

Vor den besten Ideen, so haben Wendt und Trebeß beobachtet, steht oft Langeweile. "Wenn die Kinder hier sind, kommen sie oft erstmal ohne ein konkretes Ziel. Wenn sie hier sitzen, gucken, sich langweilen, dann kommen oft Ideen hoch, die erstaunlich sind. Die Bedeutung von Langeweile für die Entwicklung von Kreativität wird zumeist unterschätzt", ist sich die Physikerin Frigga Wendt sicher. Sehr beliebt bei den Kids ist momentan die Entwicklung des perfekten "Slime" - ein schleimiges Konglomerat verschiedener Zutaten wie Seife, Mehl, Wasser oder Borax. Slime ist gerade "in" - und die Werkstatt "Zauberhafte Physik" ist genau der richtige Ort, um nach der idealen Formel für dessen Zusammensetzung zu forschen. Dabei, lacht Frigga Wendt, seien ihnen die kleinen Forscherinnen und Forscher weit voraus.

Die Werkstatt hat drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, neben Wendt und Trebeß ist noch eine weitere Mitarbeiterin hier beschäftigt, die an diesem Vormittag nicht dabei ist. Alle arbeiten entweder in Teilzeit oder als Honorarkräfte. Wieviele Kurse die Werkstatt anbieten kann, ist auch vom Budget abhängig, das jedes Jahr neu durch Spenden gesichert werden muss. Bei der Akquise von Spenderinnen und Spendern unterstützt Klaus Trebeß als Werkstattleiter die Lichtburgstiftung. Neben festen Spendern, die praktisch immer etwas geben, treten oft Stiftungen wie die Bundesligastiftung für bestimmte Inhalte ein, die diese Unterstützung allerdings nicht permanent leisten können. So ist es jedes Jahr wieder eine Herausforderung, das notwendige Budget zusammen zu bekommen. In diesem Jahr ermöglicht das Quartiersmanagement Badstraße durch Mittel aus dem Projektfonds die Nachmittagsöffnung, worüber die Mitarbeiter sehr froh sind. Aber auch Sachspenden sind möglich. So sind gerade einige Tablets neu hinzugekommen, mit deren Hilfe sich ganz neue Experimente durchführen lassen - bis hin zur Programmierung.

Klaus Trebeß und Frigga Wendt vor der Lernwerkstatt

––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

Den Schwerpunkt der Werkstattarbeit sehen Wendt und Trebeß auf der naturwissenschaftlich-technischen Bildung. Bei Kindern dieser Altersgruppe gehe es natürlich noch nicht um die Vermittlung von Faktenwissen, fast keiner der jungen Gäste hat bereits Physikunterricht. Kinder haben einen anderen Zugang zu Naturwissenschaften, sie hinterfragen Alltagserscheinungen, die sie kennen. Die Kolleginnen und Kollegen der Werkstatt versuchen, die Beobachtungen der Kinder zu schärfen und ihnen dabei zu helfen, Erklärungen für Phänomene zu finden. Klar, dass die Kinder auch mal daneben liegen, etwa wenn sie vermuten, dass Wolken aus Watte sind. Aber, das ist Klaus Trebeß wichtig, sie vergeben keine Bewertung der Ideen, es gibt kein Richtig und kein Falsch. Würden Kinder zu früh mit Lösungen konfrontiert, bremse sie dies in ihrem Erkenntnisdrang aus. Dass sich dann in einer Stunde kein physikalisches Grundgesetz entwickeln lasse, sei allerdings auch klar, schmunzelt Trebeß.

Physik und Phantasie - sie gehören zusammen

––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

Zurück zu unserer Kindergartengruppe. Nach haarsträubenden, erleuchtenden und zündenden Momenten sind die Kleinen nun doch etwas geschafft. Hat es Spaß gemacht? "Jaaa!" antwortet es aus vielen Kehlen. Marayke Kremling, Erzieherin an der Kita Kinderparadies, war heute schon zum fünften Mal hier - und auch ihr wird es nicht langweilig. Noch weniger ihren Schützlingen. Was gefällt ihnen am besten hier? "Alles. Die Leute sind unglaublich nett. Die Experimente sind absolut kindgerecht. Eine schöne Atmosphäre – und die Kinder lieben es", zeigt sie sich uneingeschränkt begeistert. So würde sie das Angebot auf jeden Fall weiter empfehlen.

Nun, einen Newton oder Archimedes hat die "Zauberhafte Physik" zwar bisher noch nicht hervorgebracht, es gibt hier ja auch keine Badewannen und keine Apfelbäume. Aber dies sei auch nicht das Ziel der Werkstatt, wie Klaus Trebeß betont: "Wir bieten keine Förderung für physikalisch Interessierte, sondern naturwissenschaftliche Einführung für alle." Und so kann man hoffen, dass den Kindern hier nicht nur beim Experimentieren mit Glühlampe und Batterie ein Licht aufgeht.

Text und Fotos: Johannes Hayner


Kontakt

Lernwerkstatt Zauberhafte Physik
Heidebrinker Str. 18, 13357 Berlin
Telefon: 030 25782510

Öffnungszeiten der offenen Werkstatt:
Mittwoch, Donnerstag und Freitag 15:30 – 18:00 Uhr
Vormittagskurse nach Verabredung.

potentielle Spender wenden sich bitte an
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Öffnungszeiten der anderen Lernwerkstätten in der Lichtburgstiftung:

Montag, 16:30 - 18:30 Lernwerkstatt Museum, Heidebrinker Straße 19
Donnerstag, 16:00 - 18:00 Klingendes Museum, Behmstraße 13
Donnerstag, 16:00 - 18:00 Naturwerkstatt, Bellermannstraße 20
Freitag, 16:00 - 17:30 Lernwerkstatt Literatur, Heidebrinker Straße 19
Freitag, 17:30 - 19:00 Lernwerkstatt Theater, Bellermannstraße 20