Making of Panke Parcours

Wie die Veranstalter das Musikfestival an der Panke vorbereiten

Mitternacht, total zerschlagen. Ein 16-Stunden-Arbeitstag liegt hinter mir und meinen Kolleginnen und Kollegen. Und gleichzeitig endet in diesen Minuten ein ganzes Jahr voller Vorbereitungen, Vorfreude und auch Bangen, das an diesem Tag seinen Höhepunkt erlebte; auf den alles hinauslief: Panke Parcours 2018. Das Kiez-Festival entlang des Weddinger Flüsschens fand gerade zum fünften Mal statt. Wie erlebt man als Projektträger und Veranstalter diesen Tag und wie bereitet man sich darauf vor? Ein Erfahrungsbericht.

 

Aufgabenverteilung vor dem Start: Auf einer Karte wird eingetragen, wohin was kommt. Rechts der spontan eingesprungene Aufbauhelfer. Noch grinst er …

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Letztes Jahr, als beim Panke Parcours die Lichter ausgingen, fing eigentlich die Vorbereitung für 2018 schon an. Zunächst musste 2017 allerdings zu den Akten: Rechnungen wurde widersprochen und mussten dann doch gezahlt, Danksagungen ausgesprochen, die Website aktualisiert, Auswertungsgespräche geführt, versprengte Technik eingesammelt, Entenrennen-Preise verteilt und Fundstücke ausgehändigt werden. Die Grünflächen längs der Panke wurden gereinigt, Plakate entfernt, Anwohnerkommentare entgegengenommen. Hunderte Fotos wurden gesichtet und ausgewählt, Artikel und Pressemeldungen geschrieben, Videos geschnitten. Der Auftraggeber vom Quartiersmanagement Soldiner Straße lud zur Zwischenauswertung, deren Grundtendenz „Weiter so!“ lautete. Und als dies alles im Sack war, dann dräute immer noch die gefürchtete Abrechnung der Fördermittel beim Programmdienstleister PDL, die schon manche Projektträger um Haupthaar, gertenschlanke Figur oder optimistische Lebenseinstellung gebracht hat. Und erst, als die letzte Buchungsnummer vergeben, der letzte Zwischennachweis verschickt war, konnte 2017 wirklich in der Schublade verschwinden.

Wobei diese Schublade ruhig ein bisschen offenstehen kann, denn aus den Erfahrungen der Vorjahre nehmen Veranstalter solcher Projekte immer viel in die nächste Saison mit. So auch beim Panke Parcours: Was läuft, läuft. Was geklappt hat, wird beibehalten. Was nicht funzt, muss verbessert werden oder fällt weg.

Tierisch ab ging es an der Auster (Franzosenbecken)

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Festgehalten haben wir erstmal am Wetter. Das von 2017 war so gut, dass wir es einfach mitgenommen und noch eine Schippe draufgelegt haben. Und besser als das Wetter am 1. September 2018 kann es eigentlich nicht mehr werden, es sei denn, es geht ums Skifahren. Sonne, ein paar Wolken, warm, aber nicht zu heiß. Open-Air-Festival-Wetter, das allen Lust aufs Mitmachen gibt. Und so strömten heuer wieder die Besucher an den Weddinger Hauptstrom, groben Schätzungen zufolge bis zu 10.000, auf jeden Fall mehr als jemals zuvor.

Totale Extase an der Hummer-Bühne

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Rückblende. Diesem Anlauf von zumindest 4-stelligen Publikumszahlen gingen zwei Treffen voraus, zu denen weniger als 20 Leute kamen. Die Besucherzahl sagt allerdings nichts über die Bedeutung dieser Zusammenkünfte aus. Denn der Panke Parcours ist ein Kiezfestival, initiiert von den Menschen, die an der Panke wohnen und von ihnen getragen. So trafen wir uns mit lokalen Akteuren im April und Anfang August 2018 in der Osloer Nachbarschaftsetage, um die Details für den großen Tag zu besprechen.

Vor allem mussten dabei die Bühnenpaten gefunden werden. Denn sie sind die wichtigsten Knoten in diesem Netzwerk: Menschen oder Institutionen, die sich bereit erklären, sich um das musikalische Programm und oft genug auch das Drumherum einer Panke Parcours-Bühne zu kümmern. Die finanzielle Ausstattung des gesamten Projektes ist leider nicht so, dass die Position eines Bühnenpaten eine lukrative wäre oder man zumindest eine angemessene Aufwandsentschädigung erwarten könnte. Das Engagement ist somit eher ein ehrenamtliches, aber zum Glück für den Kiez gibt es genug Menschen, die dazu bereit sind.

Alle Bühnen wurden mit bunten Holzschildern gekennzeichnet

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Dieses Engagement ist nicht nur im Soldiner Kiez groß, wo die Keimzelle des Panke Parcours‘ liegt. Auch im Badstraßen-Kiez hat die Teilnahme inzwischen Tradition – 2018 wurde mit der Wiese hinterm Amtsgericht sogar noch eine zusätzliche Bühne (Seestern) ins Programm aufgenommen. Und wie in den Vorjahren engagierte sich das QM Badstraße für die Bühnen in ihrem Beritt und unterstützte die Bühnenpaten mit Mitteln aus dem Aktionsfonds. Zusätzlich hatten Quartiersrat und QM-Team einen Informationsstand aufgestellt, um die bevorstehende Wahl zu Quartiers- und Vergabebeirat beim Partyvolk zu ventilieren.

Die Gründe, eine Bühne zu bespielen, können unterschiedliche sein. Auf der Hip-Hop-Bühne von Conrad Kirchner (Clownfisch) etwa konnten sich auch einige seiner Freunde vorstellen, und er hat ohnehin Spaß daran, seine Musik unter die Leute zu bringen. Das Panke-Haus wiederum wollte sich als wichtige Institution des Kiezes präsentieren und profilieren. Beim Kollektiv Hundertvier, die die Auster im Franzosenbecken bespielten, war es die Freude am Tanzen und Feiern. Wir luden alle dazu ein, aus einem „gesunden Egoismus“ heraus zu handeln und, warum auch nicht, eigene Ideen oder Ziele in die Gestaltung des Bühnenprogramms einfließen zu lassen. Und immerhin stellten wir jeder Bühne, die einen brauchte, kostenlos einen Tontechniker zur Seite – viel wert bei einem Musikfestival.

Reger Fußgängerverkehr über die Osloer Straße, die das QM-Gebiet Soldiner Kiez vom QM-Gebiet Badstraße trennt

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Eine unerwartete Hürde stellte die Beantragung der Veranstaltung beim Grünflächenamt dar. Denn anders als in den Vorjahren wurde mit dem Antrag die Einreichung eines maßstabgerechten Planes vom Veranstaltungsort verlangt. Wohlgemerkt: Eines 2,5 km langen Veranstaltungsortes! Unfroh beugten wir uns dem Diktat und erstellten unter Verwendung amtlicher Vorlagen eine Panke-Karte im Originalmaßstab. Dies allein nahm fast zwei Arbeitstage in Anspruch – bitter, wenn man bedenkt, dass die finanzielle Decke kaum ausreichte, alle anfallenden Stunden zu vergüten und in der eingesetzten Zeit wichtige Dinge warten mussten. Sei’s drum, auch dies wurde erledigt und immerhin: Die Genehmigung erfolgte fristgerecht und ohne weitere Auflagen. Und in den Folgejahren kann die Beantragung reibungslos erfolgen.

Weitere amtliche und halbamtliche Stellen, die im Vorhinein kontaktiert werden müssen, sind GEMA, Versicherung und Umweltamt. Wir wollen hier mal nicht weiter über Miettoiletten, Biergarnituren und Pavillonzelte reden, die angemietet, verteilt und aufgestellt werden müssen.

Neue Bühne hinterm Amtsgericht, hier mit dem Heart Chor

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In den letzten Wochen vorm Panke Parcours erhöht sich die Schlagzahl. Nun sind zeitgleich immer wenigstens zwei, oft mehr Personen mit Details beschäftigt, angefangen von Pressearbeit über Gestaltung und Verteilung von Plakaten, Flyern und Programmen bis hin zur Organisation von Aufbauhelfern und Getränken, um deren Motivation oben zu halten. Manches geht ganz schnell, anderes dauert unerwartet lang. So ist es nicht so einfach, in Berlin jeweils passende Generatoren für die einzelnen Bühnen zu organisieren – denn Wattzahl, Preis und Verfügbarkeit bilden einen komplizierten Dreisatz, der gelöst sein möchte.

Als dann am 1. September früh um Sieben der Wecker klingelt, fühle ich mich gut vorbereitet. Trotzdem stehen in den Stunden bis zur Eröffnung um 14:30 immer wieder Aufgaben an, die man vorher nicht auf dem Zettel hatte. Ein Aufbauhelfer fällt aus – kurzfristig muss Ersatz organisiert werden. Zu den einzelnen Bühnen müssen kleine Pakete mit unterstützendem Material für die Bühnenpaten – Müllsäcke, Programmheft, Tape etc. – gebracht werden. Aber das Bringen allein reicht nicht, teilweise wussten die Paten dann nicht, was sie damit anfangen sollen. Also noch eine Info-Runde, um die Inhalte vorzustellen. Biergarnituren werden vom Verleiher nicht an mehreren, sondern nur an einem zentralen Platz abgeladen. So wird für uns die Verteilung aufwändiger.

Wie jedes Jahr ein Höhepunkt: das Entenrennen.

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Als die ersten Instrumente an der Panke erklingen, ist dann trotzdem alles am Platz. Die fünf Stunden, für die unser Publikum kommt, gehen rasend schnell vorbei und sind für uns dicht gefüllt mit Organisations-, Umbau-, Reparatur-, Moderations-, Dokumentations- und diversen anderen Arbeiten, sodass man sich hinterher fast fragt, ob der Panke Parcours tatsächlich stattgefunden hat?!

Er hat, soviel steht fest, und die Menschen im Wedding wollen, dass dies noch viele weitere Male so sein wird. Aus diesem Grund haben einige Engagierte eine Unterschriftenaktion vorbereitet mit dem Appell an die Verantwortlichen in der Verwaltung, die finanzielle Unterstützung des Panke Parcours‘ auch über die QM-Projekt-Laufzeit hinaus zu garantieren. Letztere ist nämlich 2018 abgelaufen und eine weitere Förderung über die bisher angezapften Töpfe schwierig. Vielleicht haben ja die zahlreichen Unterschriften, die auf dem Panke Parcours auf den Listen landeten etwas bewirkt, jedenfalls gibt es konkrete Planungen für eine Fortführung. Noch ist nichts spruchreif …

Buntes Kinderprogramm auf der Krokodil-Bühne hinter der Bibliothek am Luisenbad

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Die ultimative Anerkennung für unser Tun erhielten wir am Tag nach dem Panke Parcours. Beim Müllauflesen zwischen Franzosenbecken und Soldiner Straße treffen wir zwei Anwohnerinnen, die ihre Hunde ausführen. „Haben SIE gestern die Musik hier gemacht?“ Wir machen uns auf eine Standpauke gefasst, als wir bejahen. „Das wollte ich nur mal loswerden: Es war wunderbar. So wie gestern habe ich unseren Kiez noch nie gesehen, und ich wohne seit 40 Jahren hier.“ „Ja“, pflichtet die andere bei, „von mir aus könnte jeden Tag Panke Parcours sein.“ Tiefes Durchatmen bei uns und auf einmal fällt uns auch auf: Es ist geschafft und ja – es hat Riesenspaß gemacht! Von uns aus kann jedes Jahr Panke Parcours sein!

Wie Besucher den Panke Parcours 2018 erlebten, können Sie hier nachlesen.

Text: Johannes Hayner, Fotos: georg+georg