Kommunikation, Vielfalt und Kultur

Woche der Sprache und des Lesens im Badstraßen-Kiez

Gespräch neulich an der Curry-Baude. "Wat haste jesacht?" "Weeßt du doch nich …" Soll mal noch einer sagen, wir kommunizierten zu wenig! Aber drum kümmern kann man sich ja mal …

Vom 18. bis 26. Mai fand wieder die deutschlandweite „Woche der Sprache und des Lesens“ statt. Die Initiatoren haben es sich zur Aufgabe gemacht, positive Akzente zu setzen und den Angehörigen unterschiedlicher Generationen, Kulturen und Sprachen die Möglichkeit zu geben, den vielfältigen Reichtum der Sprache und des Lesens mitzugestalten und gemeinsam zu erleben. "Sprache - das ist Kommunikation, Vielfalt und Kultur", ist auf deren Website so auch nachzulesen.

In der Literaturwerkstatt der Lichtburg-Stiftung

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Es gab eine Vielzahl von Angeboten und Veranstaltungen in Berlin. Auch im QM Gebiet Badstraße gab es am 24.05. einiges zu sehen und vor allem zu hören, so zum Beispiel in der Literatur- und Theaterwerkstatt der Lichtburg-Stiftung. Hier bietet der Schauspieler und Dramaturg Tuncay Gary ein kreatives und kostenloses Nachmittagsprogramm für Kinder und Jugendliche an. Sie kommen gern und mit viel Lust und Spaß am Schreiben und Geschichten erzählen hierher. Gemeinsam haben sie Szene für Szene und Akt für Akt entwickelt. Nun sitzen sie auf der kleinen Bühne der Werkstatt und halten ihr ersten selbst geschriebenes Theaterstück – ein dünnes, gebundenes Heft – in den Händen. Heute werden sie es in verteilten Rollen vorlesen. Ein paar Eltern sind auch gekommen.

In der Unschärfe: lesende Schüler

 

Tuncay Gary leitet die Literatur- und Theaterwerkstatt

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„Die Jugendlichen sind ein Spiegel der Stadt“, findet Tuncay Gary. Sie kommen aus ganz Berlin zu ihm in den Kurs. In ihrem Stück "DIE ANTAGONISTEN“ geht es um Politiker verschiedener Lager, Computerhacker, Wahlmanipulation und Korruption. Die großen Themen der Welt, verpackt in einer kurzen Geschichte der Jugendlichen. Sie sind sehr gute Leser, verhaspeln sich kaum und imitieren die Stimmen der verschiedenen Charaktere sehr treffend. Als einer der Jugendlichen einen indischen Taxi-Fahrer mit indischem Akzent spricht, können die anderen ein Kichern kaum unterdrücken. „So viel zu Wahlverdrossenheit bei Kindern“, sagt Tuncay Gary schmunzelnd, als die letzte Seite des Stückes gelesen ist und die Kinder die Hefte zuklappen.

Ilke S. Prick trägt aus der Leserolle vor

Antonia Stolz kann ihre Bücher nicht für die Badewanne empfehlen

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Gleich um die Ecke, in der Eulerstraße, findet eine weitere Aktion zur „Woche der Sprache und des Lesens“ statt. Schon von weitem sieht man Kinder den Gehweg mit Kreide bemalen. Sie hocken vor einem ganz besonderen Buchladen namens „Round Not Square“. Wie der Name schon vermuten lässt, sind die Bücher hier nicht eckig, sondern rund. Rund heißt, die Texte sind nicht auf mehrere Seiten verteilt, sondern auf einer langen Papierrolle gedruckt und aufgerollt zu so genannten Buchrollen. Es gibt Bildbände, Kinderbücher, Notizbücher, aber auch Romane. Außerdem besonders: Jede einzelne Buchrolle ist ein Unikat, das von den Betreibern Antonia Stolz und Ioan Brumer vor Ort gedruckt, gewickelt und von Hand gebunden wird. Am besten legt man die Rolle auf einen Tisch und liest, in dem man sie nach rechts abrollt und mit der linken Hand automatisch das bereits Gelesene einrollt. „Es ist eben kein Buch für die Badewanne“, lacht Antonia Stolz.

Zuhörer und -schauerinnen

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An diesem Tag dreht sich alles um den Roman „On the Road“ von Jack Kerouac. Wer sich mit Buchrollen beschäftigt, stößt unweigerlich auf Jack Kerouac. Im Jahr 1951 schrieb er seinen berühmtesten Roman in einem dreiwöchigen Schaffensrausch. Um nicht in seinem Gedankenfluss unterbrochen zu werden, klebte er die auf Schreibmaschine getippten DIN A4 Seiten aneinander, zu einer fast 40 Meter langen Manuskriptrolle. So gibt es nun im „Round Not Square“ Verlag den Roman erstmals als Buchrolle. In zwei Bänden ist er auf zwei 16,4 Meter lange Rollen aufgeteilt.
Antonia Stolz und Ioan Brumer haben zu diesem Anlass eine kleine Ausstellung über Kerouac und seinen Roman im Geschäft aufgebaut. Außerdem liest Ilke S. Prick, eine ebenfalls im Gesundbrunnen wohnende und mit den beiden befreundete Schriftstellerin, aus dem Roman. Es geht um das Leben, die Straße, das Reisen und das Trampen. „Es ist ein Luxus, ein Buch vorgelesen zu bekommen“, stellt Antonia Stolz hinterher zufrieden fest.

Das Schriftstellerhaus ist neu im Kiez und muss sich seinen Platz im kulturellen Leben noch erobern

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Schräg gegenüber, im Schriftstellerhaus soll der Abend weiter gehen mit dem Spiel von lauten Klängen und Worten. Das Schriftstellerhaus ist Austausch- und Arbeitsplattform für Schreibende und Schreibinteressierte. Ingrid Kaech, Leiterin des Hauses, bietet Schreibabende, Textabenden und Coworking-Arbeitsplätze an. Mehr dazu hier
ottos mops

ottos mops trotzt
otto: fort mops fort
ottos mops hopst fort
otto: soso…

otto holt koks
otto holt obst
otto horcht
otto: mops mops
otto hofft

… schnarrt es im feinsten Wiener Schmäh aus dem kleinen Lautsprecher am Tisch. „Die Rache der Sprache ist das Gedicht“, so der Wiener Dichter Ernst Jandl, dessen Gedichte Ingrid Kaech als Inspiration vorstellen will. Geplant war, gemeinsam mit Lauten und Worten Gedichte zu entwickeln. Viele Gäste sind jedoch nicht gekommen. Das Schriftstellerhaus gibt es erst seit etwa einem Jahr und muss sich erst noch im Kiez etablieren. Aber dennoch, das Event gibt Anlass zum nachbarschaftlichen Austausch. Ein literarischer Tag im Quartier geht zu Ende.

ottos mops klopft
otto: komm mops komm
ottos mops kommt
ottos mops kotzt
otto: ogottogott

Gedicht: Ernst Jandl

 

 

Text und Fotos: Anna Lindner