Was machen eigentlich die QM-Projekte in Zeiten von Corona? - Teil I
Die Welt steht Kopf. So auch Berlin. So auch der Badstraßenkiez.
Nachbarschaften stärken, den Kiez verschönern, Freizeit- und Lernangebote für sozial Benachteiligte schaffen – das zählt zu den Aufgaben der Quartiersmanagements. Viele Projekte nehmen sich mit Herzblut und Kreativität im Badstraßen-Kiez dieser Aufgaben an.
Doch was, wenn ein öffentliches Leben gar nicht mehr stattfindet, Schulen und Kitas geschlossen, Spiel- und Sportplätze gesperrt und jegliche Zusammenkünfte in großen Gruppen untersagt sind?
Nun sind vor allem Kreativität und Flexibilität von den Projektnehmern gefordert! Wir haben nachgefragt, was genau sie nun machen.
Tuncay Gary leitet die Literatur- und Theaterwerkstatt in der Lichtburg Stiftung. Seitdem die Schulen geschlossen sind, arbeitet er mit den Kindern und Jugendlichen per Skype. Online treffen sie sich zu den üblichen Zeiten der offenen Werkstätten und proben wie zuvor Goethes “Faust“. Mit diesem Theaterstück wollten sie im März Premiere feiern. Per Skype halten sie sich nun weiterhin fit, spielen die Szenen durch und lernen ihre Rollen. „Die Kinder und Jugendlichen sind für diese Angebote sehr dankbar und es ist für sie zum einen eine gute Abwechslung in dieser Zeit und zum anderen auch wie ein sicherer Hafen, der sie noch an die guten Zeiten bindet.“ sagt Tuncay Gary.
Mit seinen Senior*innen arbeitet er in der Literaturwerkstatt per Telefonkonferenz. Auch sie sind dankbar für die Fortführung der Arbeit. „Denn“, so Tuncay Gary, „insbesondere die älteren Menschen werden ja in dieser Zeit vermehrt isoliert.“
Tuncay Gary in der Theaterwerkstatt der Lichtburg-Stiftung
Ein weiteres Projekt, das die Literatur- und Theaterwerkstatt gemeinsam mit der Lernwerkstatt Kunst vorbereitet, ist einen Workshop zum kreativen Herstellen von Mundschützen. Gemeinsam mit einer Schneiderin und einer Designerin wollen sie nun selbst Mund-Nasen-Masken herstellen. Aktuell sammelt die Werkstatt dafür Bettwäsche, um daraus Masken zu nähen. Die fertigen Masken bekommen Bedürftige, insbesondere ältere Menschen, in der Gartenstadt Atlantic kostenfrei. Sobald die Schulen wieder ihre Türen öffnen, möchte die Werkstatt mit Kindern auch dort einen Masken-Näh-Workshop anbieten.
Und noch mehr ist geplant in der Lichtburg Stiftung: Voraussichtlich ab dem 20. April will die Kümmelküche Mittagessen kochen, und an bedürftige Senioren*innen und Familien kostenfrei verteilen. Die Stiftung will dabei mit anderen Einrichtungen wie der Berliner Tafel kooperieren.
Kino und Kultur ohne Publikum? Wie soll das gehen? georg+georg – Veranstalter des Projektes süß+salzig –haben es da nicht gerade einfach. Normalerweise kommen hier Nachbarn zusammen, schauen einen Film, tauschen sich mit Schauspielern und Regisseuren aus oder lauschen einem Konzert an den schönsten Orten, die der Kiez zu bieten hat. Immer mit dabei: süßes und salziges Popcorn – das Markenzeichen des Kiez-Kultur-Projektes.
Und auch das Mimen-Projekt des Moabiter Vereins Neue Nachbarschaft hat es schwer in Corona-Zeiten. Das Projekt beschäftigt sich normalerweise mit dem Müllproblem im Kiez, insbesondere von Sperrmüll. Pantomimisch weisen sie Anwohner auf ärgerlichen wilden Müll-„Kippen“ hin und veranstalten Touren zum BSR Recycling-Hof.
Nun macht das Team von süß+salzig mit den Pantomimen von Mime Minimale gemeinsame Sache. In einem Video-Podcast präsentieren sie Corona-Tipps pantomimisch: von kreativen Lösungen zur Einhaltung von Mindestabständen auf den Gehwegen über alternative Begrüßungsmöglichkeiten bis hin zur Kommunikation allein mit den Augen. So wird die Ansteckungsgefahr garantiert minimiert.
georg+georg mit den Mimen bei der Produktion der "Corona Tipps" - Filme
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Für alle, die auf den Geschmack gekommen sind, folgt ein filmischer Workshop, der aus Laien richtige Pantomimen macht. Und noch eine Idee, mit der das Kino nach Hause kommt, hat das Team in Petto: Wer die Klassiker kennt, gewinnt. Gemeinsam mit den Mimen plant süß+salzig ein online-Filmrätsel . Die Gewinner können tolle Preise gewinnen, mit denen Weddinger Kinos unterstützt werden. Da freut man sich gleich noch mehr auf den nächsten Blockbuster wenn der Corona-Spuk vorbei ist.
Auch das Projekt Kiezkosmos von Birgit Bogner und Melanie Stiewe hat sich auf die Fahne geschrieben, den Kiez zu vernetzen und Menschen zusammenzubringen. Bisher organisierte das Projekt Nachbarschaftsfeste und Lesenachmittage. Auch die Lichtergalerie in der Grüntaler Straße entstand unter ihrer Regie.
„Man kann nicht davon ausgehen, dass alle ständig online gehen können“, so Birgit Bogner. Deshalb will sie das Problem so angehen, wie in Berlin immer häufiger zu sehen: mit einem Gabenzaun. Hier können Nachbarn Spenden für Bedürftige aufhängen. Zufällig hatten Gangway e.V. Wedding und Kiezkosmos zeitgleich die Idee, auch im Badstraßen-Kiez solch einen Ort zu schaffen. Der zentral im Kiez gelegene Kirchenzaun der St. Pauls Kirche bot sich für ihr Vorhaben an. Veronika Krötke, Pfarrerin der Kirche, war sofort begeistert und genehmigte die Nutzung des Kirchenzaunes. Am 7. April wurde der Gabenzaun an der Ecke Bad- / Pankstraße eröffnet. Die ersten Tüten haben Gangway und Kiezkosmos selbst gepackt und aufgehängt. In der vergangenen Woche kamen immer wieder Tüten von Nachbarn dazu. „Es ist wichtig, dass immer etwas hinzukommt, damit das Prinzip verstanden und angenommen wird.“ sagt Birgit Bogner. „Für viele Menschen im Kiez, besonders für Obdachlose, ist diese Hilfe gerade jetzt wichtig.“ Eine Erklärung zur Nutzung des Gabenzauns haben sie online verbreitet und auf Infotafeln in verschiedenen Sprachen am Zaun angebracht. Das Prinzip ist einfach: Hygiene, Sach- und Lebensmittel werden getrennt und nur jeweils eine Tüte ist für eine Person gedacht. Die Lebensmittel-Tüten hängen vorsorglich dort am Zaun, wo am längsten Schatten ist.
der Gabenzaun an der St.Pauls Kirche
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Kiezkosmos glaubt, dass die Weddinger Bürger die Verhaltensregeln im öffentlichen Raum zur Eindämmung des Virus noch nicht verinnerlicht haben. Noch immer treffen sich die Menschen in Gruppen und halten oft die Mindestabstände nicht ein. Deshalb hat Kiezkosmos an verschiedenen Orten, wie an der Bibliothek am Luisenbad oder dem Blochplatz, Plakate aufgehängt, die in drei Sprachen darauf hinweisen, wie man sich verhalten sollte. Birgit Bogner will abwarten, wie es nun weiter geht und sich überlegen, wie man die Nachtbarschaft trotzdem zusammenbringen kann. Vielleicht mit gemeinschaftlichem Singen in Hinterhöfen – jeder auf seinem Balkon.
Matthias Neumann beim Fest der Kiezbildung, noch ohne Abstandsregelung
Viele Menschen sind zur Zeit an ihre vier Wände gebunden. Da kommt der eine oder andere doch schon mal auf die Idee, endlich die viel zu langen Hosen zu kürzen oder den alten Toaster bzw. das ferngesteuerte Lieblingsauto der Kinder zu reparieren. Nun ist sie da die Zeit – und obendrein Matthias Neumann, der so manche Tipps und Tricks parat hat, ganz nach dem Motto seines gleichnamigen Projektes: „Alt bleibt Neu“. Normalerweise bietet er eine regelmäßige Reparier-Werkstatt im Kiez an – das so genannte Repair-Café. „Alt bleibt Neu hat nahtlos umgestellt“, so Matthias Neumann. Statt der 14-tägigen Werkstattreffen gibt es jetzt wöchentliche Mails und Telefonate. Material und Produkte versendet Matthias Neumann per Post. Da der Fokus auf Reparieren und Recyceln zu eng geworden ist, wurde selber Machen und Verschenken mit einbezogen, erzählt der Ingenieur. Immer montags schickt er nun Anleitungen und Tipps für Recycling und Gestaltung per Mail an alle Bastler und Tüftler.
Flexibilität und Anpassung an die aktuelle Lage zeigen die genannten Projekte allemal. Sei es mit Spenden von Schutzmasken und Lebensmitteln oder mit kieznahem Unterhaltungs- und Beschäftigungsprogramm für zu Hause. Viele Projekte geben nun ihr Bestes, diese Zeit für den Kiez so erträglich wie möglich zu gestalten.
In der kommenden Woche erzählen wir mehr von weiteren Projekten.
Text: Anna Lindner
Fotos: georg+georg/Kiezkosmos
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Gabenplätze im Wedding
Leopoldplatz, Ruheplatzstraße/Schulstraße
U Osloer Str., Ausgang Schwedenstr./Osloer Str.
Seestraße, rechts neben dem Cafe Moccachino- beim Eingang zum Urnenfriedhof Seestraße
U Pankstr., Badstraße vor der St. Paul Kirche
süß+salzig / Mimen
die ersten Corona Tipps findet ihr hier:
Corona-Tipp #1: Abstand halten
Corona-Tipp #2: Sport treiben
Corona-Tipp #3: Hände waschen
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