Ein ganz wertvolles Instrument
Das Projekt “Kita Acapella” in der Bibliothek am Luisenbad
Als wir die Bibliothek am Luisenbad betreten, ist von Kindern weit und breit nichts zu sehen oder zu hören. Also gehen wir zu der Bibliothekarin am Eingangstresen und fragen nach dem Kinderkurs, der heute hier stattfinden soll. Ganz direkt sagt sie: “Psst, seien Sie bitte kurz ruhig.” Da hört man auch schon singende Kinderstimmen wie aus weiter Ferne. “Ah, hat schon angefangen”, lächelt die junge Frau.
Still stehen fällt schwer bei Kita Acapella
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Und so schickt sie uns die Treppen hoch in den historischen Puttensaal. Zwischen altem Parkett und Holzvertäfelungen singen und tanzen gut 25 Kinder mit zwei Erzieherinnen und einem Erzieher durch den Saal. Die Kinder haben sichtlich Spaß und Freude an diesem ungewöhnlichen Projekt.
“Kita Acapella” ist ein Projekt der Kita Stettiner Straße und möchte jungen Menschen eins der wohl wertvollsten Instrumente zeigen: ihre Stimme. Denn für die Verantwortlichen dieses Projektes liegt die Faszination darin, dass die Kinder dieses Instrument immer bei sich tragen und so jeder Zeit ganz frei musizieren können. Gesungen werden die unterschiedlichsten Kinderlieder wie “Im Land der Blaukarierten” bis hin zu eigens geschriebenen Texten wie z.B. “Blaue Pferde gibt es überall” auf die Melodie von “Jingle Bells”. Vielfältig und schön soll es sein.
Einmal die Woche, an 44 Terminen im Kita-Jahr 2017/2018, treffen sich dazu zwei Kitagruppen in der Bibliothek am Luisenbad zum gemeinsamen Tanzen und Singen. Zwei Stunden mit Musik, Bewegung und fröhlicher Stimmung, da haben auch die anfangs schüchternen Kinder Spaß und schaffen es, beim Singen aus sich heraus zu kommen. Um den Kindern zwischen all diesen Aufregungen auch etwas Ruhe zu schenken, ist immer eine Pause eingeplant, singend verlässt die Gruppe den Raum und auch während der Pause hört man die Kleinen ganz eigenständig singen. Wir nutzen die Pause, um mit Johannes Hauenstein zu sprechen. Auf die Idee zu dem Projekt kamen er und seine Kolleginnen durch eine Weiterbildung des Trägers Kindergarten City. Hier wurde die Idee theoretisch und praktisch vorgestellt. Johannes Hauenstein war sich sicher: Das ist auch etwas für uns. Und so kommt es, dass nun schon im dritten Jahr dieses musikalische Angebot verwirklicht wird. Die Idee, das Projekt selber weiter zu entwickeln, kam von Hauensteins Kollegin Sabine Henke. Die beiden erarbeiten auch gemeinsam das Programm und setzen es um.
Voll engagiert: Johannes Hauenstein beim Dirigieren
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Besonders interessant findet er das Programm für die Jungen. Diese hätten es nicht leicht. Spätestens wenn sie in die Schule kämen, hätten sie kaum noch Gelegenheit, mit Musik und Gesang in Verbindung zu kommen, zu stark seien gerade hier im Kiez die Vorstellungen davon, was männlich sei und was Jungs machen und was nicht. Boxen, Karate, Fußball – alles OK, aber Singen?! Deshalb freuen sich die Erzieherinnen und Erzieher, den Jungs hier auch eine Vorstellung davon zu geben, was es alles noch so gibt auf der Welt – in der Hoffnung, dass bei dem einen oder anderen etwas davon hängen bleibt.
Nachdem die Kleinen im Gänsemarsch und singend den Saal wieder betreten haben, unternehmen sie mit ihrem Erzieher und Dirigenten Johannes Hauenstein eine Crescendo-Übung. Ganz leise fangen sie an, ein Lied zu singen. Dazu dirigiert Hauenstein mit feinen, kleinen Bewegungen. Diese werden langsam immer größer und somit die Kinder immer lauter. Es ist sehr interessant zu sehen, wie die Kinder die unterschiedlichen Aktionen in sich verinnerlichen und immer mehr Freude daran zeigen, umso sicherer sie werden. Denn Ziel ist es ja, all das Gelernte beim Abschiedskonzert zu präsentieren. Es ist schön, Kinderaugen so leuchten zu sehen.
Gerade für Jungs ist Kita Acapella wertvoll
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Doch einfach ist es auch nicht immer, gerade mit den Jungs ist es oft ein wenig schwieriger, meint Johannes Hauenstein. Sie haben einen starken Bewegungsdrang, müssen sich hier aber an klare Regeln halten. “Wenn wir ihnen erlauben, sich frei im Raum zu bewegen, dann singen sie bald nicht mehr mit und spielen nur noch Fangen”, beschreibt der Erzieher aus seiner Erfahrung. Diese Gruppe mit fast drei Vierteln Jungen ist deshalb etwas schwieriger als solche, in denen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Mädchen und Jungen besteht.
Neu im Repertoire ist an diesem Donnerstag das “Töne Ziehen”. Dabei nehmen die Kinder das Ende eines Strickes von einer großen Rolle und gehen langsam rückwärts, während sie einen Ton auf einem Atem singen und den Faden abrollen. Sobald sie abbrechen, wird der Strick abgeschnitten und am Ende wird verglichen, wer am längsten singen kann. Nun, einige Kinder haben noch Probleme damit, ihren Atem einzuteilen, sie haben entsprechend kurze Stricke. Aber die mit dem längsten Atem nutzen fast die ganze Saallänge aus und da Übung bekanntlich den Meister macht, sind die Kinder mit großem Ansporn dabei.
Auch die Kinder dürfen mal dirigieren
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Besonders schön anzusehen sind dabei nicht nur die glücklichen Sprösslinge, sondern auch wie engagiert und mit Herzblut Johannes Hauenstein bei der Sache ist. Wirkungsvoll mit Gestik und Mimik unterstützt er sein Dirigat, sodass die Kinder gespannt an seinen Händen, Lippen und Augen hängen.
Geübt wird unter anderem auch für das große Abschlusskonzert der Kleinen am Samstag, 23. Juni, im Theater 28 (Prinzenallee 33) um 15 Uhr. Jeder Interessierte ist herzlich eingeladen, den schönen Kindergesängen zu lauschen und mit zu erleben, wieviel Energie in den Kindern steckt. Möglich macht das Konzert mit der Übernahme der Saalmiete übrigens das Quatiersmanagement Badstraße bzw. der Aktionsfonds.
Töne ziehen – wer am längsten auf einem Atem singt, hat den längsten Faden
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Text: Johannes Hayner, Paula Elspas, Fotos: Johannes Hayner