Die Akteure vor Ort sind unser Anknüpfungspunkt
Planungsbüros und Akteure entwickeln ein Verkehrskonzept für den Kiez
Auf Gehwegen parkende Autos und alle paar Meter ein Lieferfahrzeug auf dem Radweg: Der Weg durch den Kiez stellt nicht selten den reinsten Hindernisparcours für jeden Fußgänger und Radfahrer dar. Von Sicherheit im Straßenverkehr kann hier keine Rede sein.
Das dachte sich auch das QM und beauftragte ein Projektteam mit der Entwicklung eines neuen und vor allem sichereren Verkehrskonzeptes. Am 21. Mai lud das Projektteam, bestehend aus den Planungsbüros plan&rat und LK Argus zum Dialogforum Mobilitätsmanagement in die Bibliothek am Luisenbad ein. Örtliche Akteure wie Quartiersrat, Vertreter und Vertreterinnen der lokalen Wohnungsunternehmen, der Gewerbetreibenden, Schulen, Kitas und QM- Projekten werden dazu aufgerufen, sich an der Planung des neuen Verkehrskonzeptes im Badstraßen-Kiez zu beteiligen. Das Projektteam hat in der Vergangenheit bereits das Verkehrskonzept im Nachbarquartier Pankstraße entwickelt. Das ist natürlich von Vorteil, denn die Quartiere gehen fließend in einander über.
Juliane Krause vom Planungsbüro plan&rat leitet das Dioalogforum
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Felix Ross vom Bezirksamt ist zuständig für das Verkehrskonzept. Er eröffnet das Dialogforum mit einer kurzen Begrüßung. „Die Akteure vor Ort sind für uns der Anknüpfungspunkt, denn wir wollen ja nicht nur heiße Luft produzieren”, so Ross. Daraufhin übernimmt Michael Schreiber, Projektleiter der LK Argus, das Wort. Er gibt den Gästen einen kurzen Umriss, wie die Entwicklung eines neuen Verkehrskonzeptes vonstatten geht. Die Planung lässt sich in vier verschiedene Arbeitsprogramme aufteilen. Zunächst einmal gibt es eine Bestandsanalyse. Wie verhält sich der fließende Verkehr? Wo entstehen Unfallsituationen? Wie verhält sich der stehende Verkehr, gibt es zum Beispiel in Fußwegen parkende Fahrzeuge? Solche grundlegenden Fragen werden in dieser Phase geklärt. Im Arbeitsprogramm 2 geht es um ein Konzept für Rad- und Fußverkehr. Arbeitsprogramm 3 behandelt den Einsatz eines Mobilitätsmanagements.
Exkurs
Ein Mobilitätsmanagement ist ein Ansatz zur Beeinflussung der Verkehrsnachfrage mit dem Ziel, den Personenverkehr effizienter, umwelt- und sozialverträglicher und damit nachhaltiger zu gestalten. Das Mobilitätsmanagement bietet den Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern durch „weiche“ Maßnahmen aus den Bereichen Information, Kommunikation, Motivation, Koordination und Service Anreize, ihr Mobilitätsverhalten und ihre Einstellungen zur Mobilität zu ändern. Dazu gehören z. B. Carsharing-Stationen, Abstellmöglichkeiten für Fahrräder, Kinderwagen und Informationsangebote.
Arbeitsprogramm 4 erstellt schließlich ein langfristiges Maßnahmenkonzept.
Ralf Kersten und Özlem Ayaydinli vom QM Badstraße hören gespannt zu
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Helene Köfler ist Regionalkoordinatorin für Berlin-Brandenburg des erfolgreichen VCD-Projektes „Wohnen leitet Mobilität“ und wurde als Referentin eingeladen. Das Projekt hat versucht, Bewohnern den Zugang zu klimaverträglichen Verkehrsmitteln zu erleichtern bzw. diese attraktiver zu machen. An funktionierenden Beispielen in Wien, Hamburg und München zeigt die Referentin, wie der öffentliche Personennahverkehr durch ausleihbare Tickets in der Nachbarschaft bezahlbarer gemacht wurde. Aber auch „mit vielen Fahrradabstellanlagen ist schon viel gewonnen“ findet Köfler.
Felix Ross vom Bezirksamt gibt zu bedenken, dass es für Konzepte wie Mobilitätsstationen im öffentlichen Raum zunächst eine gesetzliche Grundlage vom Senat geben muss, bevor diese umgesetzt werden können.
Expertin Helene Köfler
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Daraufhin folgt die erste initiative Aufgabe für die anwesenden Akteure. Sie sollen Hemmnisse und Potenziale für eine nachhaltige Mobilität im Gebiet zu Papier bringen. Dabei soll allerdings die Infrastruktur erst einmal vernachlässigt werden. Nach einer kurzen, ruhigen Arbeitsphase werden reihum Antworten gegeben. Ein Vertreter der Schildkröte GmbH findet, dass Gesetzte geändert werden müssten. Quartiersratssprecher Günter Fuchs findet, dass es noch an der Barrierefreiheit hapert. Der U-Bahnhof Pankstraße wurde vor kurzem umgebaut, doch einen Aufzug gibt es noch immer nicht. Siegfried Dittrich vom Straßen- und Grünflächenamt kann ihn beruhigen: „Der Aufzug kommt!“ Die BVG scheint da einfach zeitlich nicht hinterher zu kommen. Ein Akteur vom Eltern-Initiativ-Kinderladen bei Stadtkinder e.V. beschwert sich über die rücksichtslosen Autofahrer, die, während er seine Schützlinge über die Straße lotst, anfangen, ungeduldig zu hupen und zu schimpfen. Über rasende Radfahrer auf den Gehwegen der Grüntaler Straße ärgert er sich auch. „Und nun kommen auch noch diese Elektroroller. Wir haben schon überlegt, uns einen zuzulegen, um ihn den Fahrern auf dem Gehweg in den Weg zu stellen.“ Die Runde lacht.
Mandy Merkel und Janine Rittel vom Kinder- und Jugendbüro Mitte bringen ihre Ideen zu Papier
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Verkehrsworkshops machen Spaß!
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Je mehr Akteure ihre Anliegen vortragen, desto klarer wird: Die Intrastruktur lässt sich bei diesem Thema nicht ausklammern. Als Letzte kommt Gebietskoordinatorin Maj-Lis Linde vom Bezirksamt Mitte zu Wort. Sie sieht das größte Problem in der Rücksichtlosigkeit der Verkehrsteilnehmer im Kiez, deshalb wünscht sie sich getrennte Mobilitätssysteme für Fußgänger, Rad- und Autofahrer.
Maj-Lis Linde im Gespräch
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Kleine Verschnauf-, Snack- und Getränkepause im Flur, denn im denkmalgeschützten Puttensaal der Bibliothek sind Speisen und Getränke strengstens untersagt, dann geht es in die zweite Runde.
Nun sollen die Akteure Ideen sammeln, die es wert sind, weiter verfolgt zu werden. Dies könnten zum Beispiel mögliche QM-Projektideen sein. Akteure aus dem Kinder- und Jugendbereich wünschen sich Projekte, die diese Zielgruppe mehr in den Prozess einbeziehen, in dem die für sie unsicheren Orte im Quartier abgefragt werden. Bisher ist die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen nicht vorgesehen, doch das Planungsbüro bietet den Akteuren an, dazu gern im Austausch zu bleiben. Ein weiterer Akteur aus dem Jugendbereich hält die Einführung von Spielstraßen oder Barrieren für sinnvoll, um die Straßen sicherer zu machen. Auch die Idee eines ausleihbaren Lastenrades, steht im Raum. Doch wo könnte dieses sicher abgestellt werden?! Maj-Lis Linde und eine Anwohnerin und Mutter aus dem Kiez geben zu bedenken, dass die Lastenräder leider sehr beliebtes Diebesgut darstellen. Außerdem können sich einige die Zusammenarbeit mit Geschäften vorstellen, um den Anlieferverkehr, der gefährliches Parken in der zweiten Reihe und auf dem Fahrrad-Schutzstreifen verursacht, in den Griff zu bekommen.
Am Ende gibt es einen bunten Strauß guter Ideen an den Stellwänden, auf denen die Ergebnisse gesammelt werden.
Jede Idee wird dokumentiert!
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Weiter geht es am Donnerstag, 13. Juni, mit einem Kiezspaziergang. Startpunkt wird 16:30 Uhr vor dem QM-Büro in der Bellermannstraße 81 sein. Und im September ist ein öffentlicher Workshop geplant, bei dem die Bestandsaufnahme in Form von Plänen vorgestellt wird. Im Oktober gibt es dann bereits den ersten Entwurf des Maßnahmenkonzeptes, bei dem nochmal die Möglichkeit gegeben wird, Ergänzungen zu machen.
Text/Fotos: Anna Lindner