Poller sind immer die letzte Option
Kiezspaziergänger sammeln Ideen für das neue Verkehrskonzept
Die Erarbeitung des neuen Verkehrskonzepts für das QM-Gebiet Badstraße geht in die nächste Runde. Nach dem ersten Dialogforum in der Bibliothek am Luisenbad drei Wochen zuvor lud das Quartiersmanagement am 13. Juni zum gemeinsamen Stadtspaziergang mit Engagierten und Interessierten aus dem Viertel ein.
Verkehrsplanerin Juliane Krause hat mit ihrem Projektteam, bestehend aus den Planungsbüros LK Argus und plan&rat, die heißesten Verkehrsbrennpunkte im Kiez ausgemacht und für diesen Nachmittag die Marschroute festgelegt.
Projektleiterin Juliane Krause bittet die Kiezspaziergänger vor Ort um Vorschläge
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Erste Station war die viel befahrene Behmstraße. Hier treffen Verkehrsströme aus dem Brunnenviertel und Pankow auf die zahlreichen Kunden des Gesundbrunnen-Centers, Fußgänger und Fahrradfahrer haben zwischen der Vielzahl an Autos oft das Nachsehen. Wenn die Radler es dann ein mal über die Kreuzung Jülicher und Behmstraße geschafft haben, warten entlang der Bellermannstraße holprige und zu schmale Radwege auf sie – besonders für unsichere Fahrer und Kinder leider unbenutzbar. Das Planungsteam notiert umgehend sämtliche Kritikpunkte der rund 25 Teilnehmer und hat für alle Vorschläge ein offenes Ohr, auch wenn Fußgänger, Fahrrad- und Autofahrer oft ganz unterschiedliche Vorstellungen von guter Verkehrsführung haben. Diese reichen von schärferen Kontrollen über bessere Beschilderung bis hin zu baulichen Änderungen im Straßennetz. Alles hat seine Vor- und Nachteile und die größte Herausforderung für das Team ist es, alle unter einen Hut zu bringen.
Verkehrsspaziergänger unterwegs
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Vorbei an der ewig roten Fußgängerampel Ecke Jülicher- / Mönkeberger Straße geht es zum Eulerstraßenspielplatz und zur Stettiner Trasse neben der Grüntaler Straße. Auf dem Weg fällt vor allem eines auf: Falschparker, die immer wieder Wege und Kreuzungseinmündungen blockieren. Ein Passant erzählt, dass er vor seiner Haustür einmal fast von einem Radler angefahren wurde, weil dieser auf den Gehweg ausweichen musste. Es wird klar, dass es zwar bestehende Regelungen gibt, diese aber nicht konsequent kontrolliert und durchgesetzt werden. Zwar könnte man mit baulichen Maßnahmen hier und da für mehr Klarheit sorgen, aber das sei aus Kostengründen oft nicht realisierbar. „Poller sind immer die letzte Option“ meint Felix Ross vom Bezirksamt Mitte von Berlin im Anbetracht der vielen widerrechtlich geparkten Fahrzeuge.
An dieser Stelle ist der Bordstein für Fußgänger abgesenkt, die Autos dürften hier nicht parken
Das Projektteam notiert jeden Einwand
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An der Kreuzung Grüntaler-/Bellermannstraße gibt es dann einiges an Redebedarf. Ein Anwohner stellt fest, dass man auf dem Hauptweg der Parkanlage Stettiner Trasse ja gar nicht Fahrrad fahren darf, das mit Stickern völlig zugeklebte Hinweisschild scheint jedoch niemand zu beachten. Die Verkehrssicherheitsberaterin Frau Sonntag von der Berliner Polizei im Abschnitt 36, die heute auch mit dabei ist, hält im Laufe des Rundgangs immer wieder Radler an, die unerlaubt auf Fußwegen unterwegs sind. Dass viele sich ihrer Schuld gar nicht bewusst sind, zeigt, dass es oftmals noch an der Verständlichkeit der Verkehrsführung hapert. Die Polizistin verdeutlicht zudem immer wieder, warum die Verkehrslage mancherorts so ist wie sie ist und warum manche Ideen der Bürger so leider nicht funktionieren würden. Allen wird klar: Jede geplante Änderung muss aus mehreren Blickwinkeln betrachtet werden und hat womöglich unbeabsichtigte Folgen. So wäre ein Zebrastreifen, der die beiden Hälften der Grüntaler Trasse über die Bellermannstraße hinweg verbindet, zwar für Fußgänger eine tolle Sache, würde aber Radfahrer ausbremsen, die auf solchen Übergängen absteigen müssen. Dass sie dies erfahrungsgemäß oft nicht tun, ist sogar noch ein weiteres Problem.
Die Verbotsschilder fallen zwischen den vielen Stickern kaum auf
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Am Ende des Kiezspaziergangs sind die Notizblöcke der Projektmitarbeiter reichlich gefüllt und die Teilnehmer verstehen ein bisschen besser, was zu einem erfolgreichen Verkehrskonzept dazugehört und dass auch die beste Regelung jemanden braucht, der sie durchsetzt. Im September werden Juliane Krause und ihr Team die Bestandsaufnahme präsentieren und daraufhin im Oktober einen ersten konkreten Konzeptentwurf vorstellen, der im Anschluss noch weiter ergänzt werden kann.
Text und Fotos: Jonathan Andrae