Lauschen, Lachen & Lernen

Die Fête de la Musique machte auch 2019 wieder im QM Badstraße halt

Schon als im Jahr 1982 der französische Kulturminister Jack Lang die Fête de la Musique ins Leben rief, legte er damit die Grundgedanken fest, die bis heute jedes Jahr aufs Neue umgesetzt werden. Erstens: das Fest der Musik soll stets am 21. Juni den Sommer einläuten. Zweitens: Egal ob Profipianist oder Amateurakkordeonspieler, alle dürfen mitmachen. Drittens: Umsonst und draußen!

Die Fête soll im öffentlichen Raum stattfinden, in Parks, auf Plätzen oder einfach auf dem Bürgersteig und dabei natürlich immer kostenlos bleiben. Zusammenfassend klingt das doch nach einer perfekten QM-Veranstaltung.

Und so kam es dann, dass auch 2019 wieder zum Musikabend vor dem QM-Büro in der Bellermannstraße geladen wurde. Ein fünfstündiges Programm mit Jazz und Schlager, Jung und Alt, ausgebildeten Musikern und Experimentierfreudigen, die heute zum ersten mal ein Instrument in der Hand halten.

Den Anfang machte in diesem Jahr das Klingende Museum Berlin, das seinen Sitz direkt um die Ecke in der Behmstraße hat. Mit ihrem Klingenden Mobil haben die Musikpädagogen der Lernwerkstatt allerlei Instrumente herangeschafft, die nun ausprobiert werden wollen. Dieses Angebot des Museums wird vor allem von Schulen und Kitas gern in Anspruch genommen: Die Kinder können dadurch erste musikalische Gehversuche wagen und bekommen die Chance, auch Instrumente auszuprobieren, die ihre Schulen nicht selbst anbieten können. Was das Klingende Museum bei der Fête de la Musique vorbrachte, stand ganz im Zeichen der Schlaginstrumente. Neben etlichen Handtrommeln in unterschiedlichen Größen hat das Museum auch ein komplettes Schlagzeug mitgebracht, an dem die neugierigen Kinder Schlange stehen.

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Kassandra vom Klingenden Museum mit angehenden Nachwuchstrommlern

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Während Museumsleiter René im Anschluss die Instrumente wieder im bunt beklebten, klingenden VW-Bus verstaut, macht sich schon die Werkstatt Utopia bereit. Hinter dem vielversprechenden Namen steht der Verein KulturLeben Berlin, der im Mai 2018 ein inklusives Orchester, ein Jazzprojekt und mehrere Kammermusikgruppen ins Leben rief. Heute führen sie vier internationale Jazzklassiker auf. Los geht es mit George Gershwins „Summertime“, kraftvoll dargeboten von der blinden Sängerin und Komponistin Viktoria Volovik. Danach geht es musikalisch nach Spanien und Frankreich, bis zum Abschluss Tontechniker Frank überraschend selbst zum Mikrofon greift und seine Version von Frank Sinatras „My Way“ darbietet. Das Publikum ist begeistert! Projektleiter, Dirigent und Klarinettist Mariano Domingo ist sichtlich erfreut über die lauten Zugabe-Rufe. Vorbereitet hat er heute zwar leider keine, dafür stellt er sie schon einmal fürs nächste Jahr in Aussicht.

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Frank (vorne links), Viktoria (vorne Mitte) und Mariano (hinten rechts) von der Werkstatt Utopia

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Es folgt eine kurze Umbaupause für den nächsten Act, in der Zwischenzeit versorgen sich die Besucher bei den Quartiersmanagerinnen mit erfrischend kalter Gurkensuppe, Getränken und Gebäck. Drinnen im QM-Büro präsentiert der Filmemacher Enkidu Leyendecker auf einer Leinwand Musikvideos, die von Weddinger Jugendlichen im Rahmen des Projekts „Junge Lichtburg“ in Eigenregie produziert wurden.

Dann plötzlich steht draußen ein Typ im Bademantel, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, und schaut grimmig in die Runde. Zunächst sind sich die Zuschauer nicht ganz sicher, was hier vor sich geht: Ist das jetzt der nächste Musiker oder einfach irgendein verrückter Vogel, der die Gelegenheit nutzt, mal in ein Mikrofon sprechen zu können? Doch schon erklingen die ersten Takte aus der Lautsprecherbox und spätestens als der Unbekannte seinen Bademantel abwirft und darunter sein lachsfarbenes Jackett präsentiert, ist klar: Das gehört alles zur Show vom Im-Zweifelsfall-Schlager-Sänger John P. Wilke. Ausgestattet mit Glitzergirlande und Seifenblasenmaschine schmettert er dem Publikum elektronisch untermalte Schlagertexte entgegen, performt mit einer aus dem Publikum erkorenen „Lady“ (Max von der zuvor aufgetretenen Werkstatt Utopia) spontanen Kuschelrock und wirft theatralisch Herzchenlufballons in die Runde. Manch einer ist sich bis zum Ende unsicher, was er da gerade vor sich sieht, andere gröhlen nach jedem Song und feiern Wilke wie den Schlagerstar, als der er sich gibt. Nach einer Dreiviertelstunde ist die Show vorüber, das Publikum ist mal begeistert, mal verwundert, aber definitiv nicht gelangweilt.

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Schlagersänger John P. Wilke mit spontaner Verstärkung aus dem Publikum

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Gegen Ende des Abends, inzwischen haben sich schon weit über einhundert Zuschauer vor dem QM-Büro eingefunden, gibt es zum Abschluss noch geballte Blächbläserpower der Jungs von Duke Brass auf die Ohren. Die sechsköpfige Kapelle strahlt vom ersten Ton an eine erstaunliche Energie aus, die ohne Umwege in die Glieder fährt, und zwar obwohl dies schon ihr zweiter Auftritt am heutigen Abend ist. Gespielt wird im Stehen, im Knien und im Sprung, so gut wie es die sperrigen Instrumente zulassen. Die treibenden Rhythmen kommen fantastisch an, und nach dem letzten Stück gegen 21 Uhr haben alle Lust auf mehr Kiezkonzertabende von dieser Sorte. Wir freuen uns jetzt schon auf die versprochene Zugabe bei der Fête de la Musique am 21. Juni 2020!

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Text und Fotos: Jonathan Andrae