Ein Ort für alle
Plätzchen und so im Jugendclub Badstraße mit WIB e.V.
Es ist der Samstag vorm zweiten Advent. Wetter ist eher so zum auf Sofa chillen und Serie bingen – so jedenfalls würden die Hauptpersonen dieses Artikels „zuhause bleiben und Fernsehen schauen“ eher nennen. (wahrscheinlich aber noch ganz anders) Wir haben uns trotzdem aufgemacht zum Jugendclub in der Badstraße 10, weil dort heute Plätzchenbacken von WIB e.V. angesagt ist. Angesagt im doppelten Sinne? Das wollen wir herausfinden.
Der Verein „Wir im Brunnenviertel“ (WIB e.V.) wurde 2013 von Jugendlichen aus dem Brunnenviertel als Migrant*innenselbstorganisation (MSO) gegründet. Alle Gründungsmitglieder sind Jugendliche mit Migrationshintergrund. Der Verein unterstützt seitdem Partizipationsmöglichkeiten und soziales Engagement der jungen Menschen. Das Projekt „WIB-Jugend aktiv“ wird seit 2022 im Gebiet des QMs Badstraße durchgeführt. Die Grundidee des Projektes ist, dass Kinder und Jugendliche eigene Projekte anbieten, die bestehenden lokalen Ressourcen einsetzen und multiplizieren. So nutzt das Projekt u.a. auch den Jugendclub in der Badstraße 10 als Begegnungsort für die Kids aus dem Kiez. Der Zugang ist kostenfrei und unbürokratisch – alle können ohne Anmeldung einfach so vorbeikommen. Auch die Projektleiterinnen und -leiter sind Jugendliche, die im Projektrahmen fortgebildet werden. Genauso ein WIB-Projekt dürfen wir heute besuchen. Wir wollen von Emaan, einer der WIB-Mitarbeiterinnen, wissen, was heute hier passiert.
Treffpunkt ist 14:00 Uhr. Aber so früh, meint Emaan, brauchen wir nicht zu kommen. Die Startzeit dient eher zur groben Orientierung und überhaupt begrüßen sich die Jugendlichen mit einem umfangreichen Willkommens- und Kommunikationsritual, bei dem man als Beobachter eher stört. Ok, geben wir uns noch 90 Minuten und rücken so gegen halb vier an. Offensichtlich war die Freude auf die Backaktion allerdings so groß, dass sich inzwischen nur noch wenige Bäckerinnen und Bäcker in der Küche an der Weihnachtsbäckerei versuchen, die meisten sind fertig. Fünfzehn bis zwanzig Jugendliche sind insgesamt gekommen. Viele sitzen jetzt gemütlich in den großen Sofaecken, spielen Billard oder bereiten das Karaoke-Event vor, das später starten wird. Gemeinsam mit Emaan sind noch drei Kinder in der Küche, schieben das letzte Blech in den warmen Ofen und verzieren schließlich diese verführerisch mit Zuckerwerk.
Während das Gebäck im Ofen mehr und mehr Duft entwickelt, haben wir Gelegenheit, Emaan ein paar Fragen zu stellen.
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Kannst du dich kurz vorstellen?
Ja, ich bin Emaan, 21 Jahre alt und studiere Deutsch und Sonderpädagogik auf Lehramt. Hier im Jugendclub Badstraße arbeite ich auf Honorarbasis. Wir sind hier über den Träger WIB e.V. angestellt.
Wann hat der Jugendclub denn geöffnet?
Eigentlich wird das Projekt von WIB e.V. jeden Samstag durchgeführt. Wir arbeiten eng mit Yusuf zusammen, der die Jugendlichen alle von früher kennt. Leider geht das Projekt nur bis Ende des Jahres.
Und was können die Kids hier machen?
Ach, ganz verschiedenes. Eigentlich können sie selbst entscheiden, was sie tun. Es ist bei WIB e.V. sowieso üblich, dass die Jugendlichen die Entscheidungen treffen. Aber es gibt natürlich Regeln, an denen wir uns alle orientieren. Dazu gehören: keine Gewalt, zuhören und ausreden lassen. Ganz wichtig: Respekt. Aber ich habe festgestellt, dass man mit allen hier reden kann.
Was sind denn so typische Beschäftigungen?
Das Wichtigste ist glaube ich, dass die Jugendlichen hier zusammen sein können, in einem geschützten Raum. Der Club ist so eine Art Safe Space für sie, wie Familie. Sie spielen Billard, chillen, quatschen einfach ein bisschen, hören Musik oder malen.
Malen?
Ja, das hört sich jetzt nicht so typisch an für 14- bis 18-Jährige. Tatsächlich haben wir sie mit einem Trick geködert. Mina, eine der WIB-Jugendlichen, hatte die Idee. Wer schafft es, eine Katze in einer Minute zu malen? Das war eine Aufgabe, und die hat bei einigen die Lust am Malen geweckt. Auch beliebt sind Gemeinschafts- oder Brettspiele und Karaoke. Machen wir nachher auch noch. Und letzten Samstag haben wir Monopoly gespielt. Jetzt kannst du mal raten, wer gewonnen hat?
Äh, wer?
Ich! (lacht)
Mir ist aufgefallen, dass hier nicht so viel mit dem Handy zu laufen scheint. Gibt’s dazu auch eine Regel bei euch?
Nein. Aber tatsächlich kommen die Leute hierher, um ihre Freundinnen und Freunde zu treffen, was soll man da groß chatten oder zocken? Den Computerraum schließen wir aber nicht immer auf, weil es schon das Ziel gibt, dass etwas gemeinsam gemacht wird.
Ist Medienkompetenz denn ein Thema für euch?
Also, das ist glaube ich in allen Bildungseinrichtungen Deutschlands ein Thema. Wir haben keine starren Regeln für den Handygebrauch. Wichtig ist, dass die Jugendlichen untereinander kommunizieren – solange das Handy da nicht im Weg steht, ist das für uns OK.
Was können die Kinder und Jugendlichen sonst hier erwarten?
Wir sind ja drei Mitarbeiter*innen von WIB e.V. und eine WIB-Jugendliche macht auch ihr Projekt hier. Dadurch können wir vieles anbieten. Zum Beispiel helfen wir auch bei den Hausaufgaben. Und natürlich sind wir auch Ansprechpartner bei Problemen zuhause oder in der Schule. Letztens gab es eine tolle Pasta-Party. Einer von unseren Leuten kann richtig gut kochen und der hat ein Sahne-de-luxe-Menü hingelegt.
Findest du Einrichtungen wie diese hier wichtig?
Ja, auf jeden Fall. Es sollte mehr davon geben. Ohne Jugendklubs oder Jugendorganisation wie WIB e.V. ist es schwieriger für die Jugendlichen, was sollen sie machen, bei Frust, bei Kummer? WIB e.V. leistet hier eine wichtige Arbeit, um die Jugendlichen aufzufangen.
Fühlt ihr euch gut ausgestattet?
Also erstmal: Die Kids kommen gern hierher, unabhängig davon, ob hier alles tippi-toppi ist oder nicht. Aber wir hätten gern mehr Unterstützung von der Stadt. Der Klub hatte lange geschlossen. Dann hat WIB e.V. gemeinsam mit Jugendamt Mitte überlegt, ein Projekt an den Samstagen anzubieten. Am ersten Samstag standen 30 Leute vor der Tür und haben den Laden gestürmt. „Endlich wieder offen“, war das, was wir an diesem Tag am häufigsten gehört haben. Wir haben hier Stammgäste, die immer kommen. Der Jugendklub ist ein Stützpunkt in der Tagesplanung.
Wie bekommen die Kids mit, was hier läuft?
Das meiste ist Mund zu Mund-Propaganda, das läuft von ganz allein. Bei besonderen Aktionen wird auch mal was auf der Instagram Seite von WIB e.V. gepostet, das zieht dann ein bisschen mehr Publikum.
Das Projekt WiB-Jugend aktiv! wird durch die Bundesrepublik Deutschland und das Land Berlin im Rahmen des Städtebauförderprogramms Sozialer Zusammenhalt – Zusammenlebenim Quartier gemeinsam gestalten gefördert.
Fotos: Nils Hansen
Text: Johannes Hayner