Der Kiez findet seinen Platz
Zweites Straßenfest am Eulerplatz
Mamma mia – die erste wirkliche Kiezpizza! Aus dem Holzofen, und was für einem! Denn heute, am 22. Juni, wird der Kiez-Backofen zum ersten Mal befeuert, im Wortsinn. Neben den Teigfladen, die sich hier gar nicht langsam in knusprige Pizzen verwandeln, lodert ein helles Holzfeuer, das die notwendige Hitze auch für den zart geschmolzenen Käse liefert. Hmmm! Dieser Kiez-Backofen wurde übrigens mit Mitteln aus dem QM-Aktionsfonds ermöglicht. Aus diesem Fonds können kurzfristig und unkompliziert Projekte, die dem Kiez dienen, mit bis zu 1.500 Euro gefördert werden.
So, wie eine perfekte Pizza individuell zusammengestellte, beste Zutaten enthält, so wartet auch das zweite Straßenfest am Eulerplatz mit Programmpunkten auf, die den Tag zu einer runden Sache machen. Und weil heute der Tag nach dem Sommeranfang ist, der europaweit als Fête de la Musique bekannt ist, heißt unser Straßenfest am Folgetag nun Fête de l’Eulerplatz, wie die Plakate der Platzgruppe eröffnen. A la bonne heure!
Um 13 Uhr war Startschuss und von Beginn an waren es vor allem die Kinder, die den Platz mit rastlosem Gewusel auf ein hohes Stimmungslevel bugsierten. War ja auch einiges los. Rund um die charismatischen Tische mit den hohen, rotgelben Sonnensegeln entwickelt sich das, was dort auch entstehen soll: nachbarschaftliches, solidarisches, fröhliches Zusammensein mit Musik, Spiel, Essen, Trinken und Quatschen, Quatschen, Quatschen. Kaum vorstellbar, dass genau hier noch vor einem Jahr Autos das Einzige war, was sich bewegte. Mit hörbarem Stolz in der Stimme berichtet Robert Esau vom Projekt „Klimakiez“ davon, wie sehr ihn, sein Team und auch die Nachbarschaft die Transformation des Platzes von einer bloßen Straßenkreuzung hin zu einem Kieztreffpunkt begeistert. Theresia Titzmann, wie Robert vom Projektträger gruppe F, erzählt, während sie Brause an durstige Kinder verteilt, dass der Platz mit seinen Sitzgelegenheiten, Bepflanzungen und Betätigungsraum beinahe täglich von unterschiedlichen Gruppen genutzt wird. Ein toller Erfolg!
Eine Nachbarin, die zufällig vorbeikommt, hat den Platz schon länger wahrgenommen, für sich allerdings festgestellt, dass sich hier vornehmlich die Jugend träfe. Heute, angelockt vom Pizzaduft, ändert sie ihre Meinung. Zwei Kinder flunkern lachend, dass sie hier schon seit Jahren täglich hinkommen würden. Bei Kindern gerät das Zeitgefühl eben manchmal etwas durcheinander. Und ein Auto besitzender Anwohner ärgert sich zwar über die weggefallenen Parkplätze, freut sich aber darüber, hier abends immer mal „ein Zigarettchen“ genießen zu können. Dieses duftet allerdings etwas speziell …
Heute beim Straßenfest gibt wie bei einem richtigen Familienfest die Kulinarik den Takt vor. Denn die Pizza vom Textanfang war der Höhepunkt, auf den das Fest zusteuert. Zuvor galt es, Teig anzurühren, Teig zu kneten, eine Tomatensauce anzurichten, Pizzabeläge vorzubereiten, den Kiez-Backofen zu befeuern und vor allem sich stimmungstechnisch auf das gemeinsame Kiezdinner vorzubereiten, das ab 18:00 Uhr hier stattfand. Die Kinderliedermacherin Suli Puschban steuerte den musikalischen Aperitivo zur Einstimmung der Kleinen bei. Die dankten es ihr mit viel Aufmerksamkeit, mitsingen und -tanzen.
Bunt verzierte Kinderarme, die sich am Abend den Pizzen entgegenstrecken, erzählen von der Kindertattoo-Aktion mit kieztypischen Motiven wie Eulen, Blumen oder Gießkannen. Das bunt bemalte Pflaster zeigt, was die Kinder aus diesem Kiez bewegt. Und die überall herumliegenden Spielgeräte verraten, welche Spiele hier gespielt wurden. Die Platzgruppe hat für heute dazu aufgerufen, den Container am Anfang des Platzes mit gespendeten Spielgeräten zu befüllen, was offensichtlich gut angekommen ist.
Die Erwachsenen sind damit beschäftigt, sich insgesamt eine gute Zeit zu machen. Begünstigt durch die Verkehrsberuhigung rund um den Platz benötigen die Kinder weniger Aufsicht. Das wird genutzt, um mit den Nachbarinnen und Nachbarn heute mal ein etwas ausführlicheres Schwätzchen zu halten. Zufriedene Gesichter, wohin man schaut. Sogar das Wetter spielt mit und hat seine wütenden Regengüsse auf die frühen Morgenstunden vorverlegt, in denen sie noch nicht stören. Die Musik steuert LISA UEBEL bei, eine Zweipersonen-Band, über die zu lesen ist, dass sie „80s Beats mit schrillen Synthsounds mixt, wobei tanzbare, ungestüme Neue Deutsche Welle, dazwischen ein Moment zum Seufzen“ entstünden. Ob heute so viel geseufzt wurde, steht dahin. Vielleicht war es zwischen den vielen begeisterten Ausrufen wie „lecker!“ oder „fantastisch“ (und vielleicht dem einen oder anderen verschämten Schmatzer) nicht gut zu hören. Aber jedenfalls lieferte LISA UEBEL den passenden Soundtrack zum Abschluss dieses gelungenen Tages. Und eines steht fest: Dieser Platz gibt dem Kiez viel mehr als nur ein paar Sitzgelegenheiten und Hochbeete. Hier ist in den letzten Monaten mitten im Kiez ein Ort für alle entstanden. Zum Treffen, zum Spielen, zum Austauschen, zum Leben.
Text: Johannes Hayner, Fotos: Gruppe F, Theresa Titzmann