Diagonal im Dialog

Informationsveranstaltung zur Verkehrsberuhigung im Bellermannkiez

Viele Menschen aus der Nachbarschaft kamen, um mitzudiskutieren

Zündschlüssel umgedreht, Gang eingelegt, dann Bellermann und Heidebrinker hoch bis zum Gesundbrunnen Center gebrettert: lange Realität in unserer Ecke. Bis 2021. Seitdem kann man das nur noch mit dem Fahrrad so machen – Autos scheitern an den neu errichteten Diagonalsperren, von denen die letzten im vorigen Jahr errichtet wurden.

Wie es so ist im urbanen Stadtverkehr: An neuen Konzepten scheiden sich die Geister. Gerade, wenn es ums Auto geht, reagieren in Deutschland viele empfindlich. So auch hier im Bellermannkiez. Die einen feiern die Diagonalsperren als Nonplusultra moderner Verkehrskonzepte, die anderen schimpfen über längere Fahrzeiten, hoch frequentierte Schleichwege, verstopfte Zufahrten und erschwertes Parken.

Quartiersmanagerin Burcu Eren Kaya eröffnet die Veranstaltung

Dem Quartiersmanagement-Team (QM-Team) Badstraße war es ein Anliegen, die Diskussion einmal offen und direkt dort zu führen, woraus sie resultiert. Also gab es an einem sonnigen Nachmittag neulich ein Informationstreffen zu den Diagonalsperren im Bellermannkiez.

Schon allein die Teilnehmerzahl ließ die Relevanz des Themas erkennen. Etwa 50 Menschen fanden sich um 17 Uhr vorm QM-Büro ein – durchaus beachtlich im Vergleich zu vielen anderen QM-Terminen. Der Termin wurde gemeinsam mit dem Straßen- und Grünflächenamt (SGA) vorbereitet, das auch an einer offenen Diskussion über die Vor- und Nachteile der Maßnahmen interessiert ist. Das Büro für Bürger*innenbeteiligung übernahm die Moderation des Rundgangs. Darüber hinaus begleiteten die Kollegen von Gruppe F, die das Projekt Klimakiez betreuen, die Veranstaltung. Im Rahmen von Klimakiez wird unter anderem die Einbettung dieser Diagonalsperren in den Stadtraum geplant und umgesetzt. So ist zum Beispiel der Bellermanngarten entstanden. Ebenfalls vor Ort waren einige BVV-Abgeordnete aus verschiedenen Fraktionen, die den Prozess politisch in Gang gesetzt haben.

Felicitas und Max sorgen für gute Stimmung zum Start

Um die Menschen heute vorm QM-Büro in Empfang zu nehmen und für positive Stimmung zu sorgen, präsentieren Felicitas auf der Geige und Max am Akkordeon türkische und kurdische Weisen. Der Rahmen war so gesteckt, dass es eine Art Spaziergang zu drei Stationen gab, an denen die Diagonalsperren erläutert wurden. An jeder Station gab es eine kleine Einführung, danach kamen die Teilnehmenden zu Wort. Dann wurde zur nächsten Station spaziert.  Zum Teil haben sich die Anwohnenden über die Poller geärgert und ihrem Unmut Luft gemacht. “So etwas Blödes, wer hat das denn geplant!“ war aus der Menge zu vernehmen.

Am Stand des Straßen- und Grünflächenamtes wurde lange diskutiert

Aber die Verantwortlichen versteckten sich nicht. Der Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes Mitte, Daniel Kyek, stellte sich den Fragen. Er verwies auf die verbesserte Sicherheit im Kiez, die positiv zu bewerten ist. Viele Anwohner stimmten diesem Aspekt zu. Eine lebendige Diskussionsrunde entstand, während der alle ihre Argumente vorbringen konnten. Das Gespräch war engagiert, aber nicht hitzig. Alle Meinungen konnten durchaus zu allen vordringen. An manchen Stellen hätte man sich sicher noch ein erläuterndes oder einordnendes Wort der Abgeordneten gewünscht, die transparent machen, auf welcher Grundlage die politische Entscheidung für die Verkehrsberuhigung getroffen wird und wie die Umsetzung in der BVV eingeschätzt wird. Die Erläuterung des politischen Willens, der dahintersteht, wäre auf jeden Fall ein interessanter Aspekt in der Diskussion gewesen.

Ein Thema mit Relevanz, wie die Zahl der Teilnehmenden verrät

Was klar wurde: Viele sind richtig glücklich, dass die Poller gesetzt wurden und finden einfach gut, dass mehr Sicherheit im Kiez herrscht. Und das besonders für die Kinder, wie eine junge Mutter meinte. Ein Anwohner hingegen schilderte aus seinem Erleben, dass der tägliche Weg viel länger und komplizierter wäre und er deutlich früher los muss. “Man kommt hier aus dem Kiez gar nicht mehr richtig raus“, schloss er seine Ausführungen ab. Am Beifall und an anderen Stimmen konnte man ablesen, dass er mit seiner Meinung nicht allein steht.

Die Dialogveranstaltung war, auch gemessen an ihren Zielen, ein voller Erfolg. Es ging darum, Transparenz über den Prozess herzustellen, der zur Einrichtung der Diagonalsperren führte. Auch, wenn einige der Anwesenden sich nicht immer ausreichend informiert gefühlt haben – bis zur Installation der Poller, die die Diagonalsperren bilden, gab es eine ganze Reihe öffentlicher Informations- und Beteiligungsveranstaltungen, wie Herr Kyek an der Station des SGA berichten konnte. So wurden mit der Quartiersbevölkerung das Verkehrskonzept für den Badstraßenkiez erstellt, die Errichtung der Diagonalsperren im Quartiersrat beschlossen und seit 2021 die Verkehrsberuhigung der Bellermannstraße realisiert. Theresia Titzmann von Gruppe F erläutert an ihrer Station Näheres zu klimarelevanten Aspekten.

An jeder Station konnten Bürgerinnen und Bürger ihre Fragen stellen

Herr Kyek brachte in der Diskussion noch einen interessanten Punkt in die Diskussion ein. Im Rahmen einer Verkehrszählung 2020/2021 stellte sich heraus, dass 55% der durch die Bellermannstraße fahrenden Autos nicht aus dem Kiez stammen, sondern ihn als Abkürzung nutzen. So viel ist sicher: Dieser gesamte Verkehr findet heute nicht mehr in der Bellermannstraße statt. Und so konnte der Kiezspaziergang von Poller zu Poller zu Poller heute so stattfinden, wie es sein soll: ganz entspannt und mit viel Zeit und Ruhe für einen interessanten Austausch. Da aber mit den Verkehrsberuhigungs-Maßnahmen neue Konfliktfelder wie oben beschrieben entstanden sind, werden die Diskussionen wohl weiter andauern. Eine Veranstaltung wie diese ist dann besonders wichtig.

Text: Robert Bross, Johannes Hayner, Fotos: Robert Bross