Ein Fixpunkt auf der kulturellen Landkarte Berlins

Ein Interview zum Veranstaltungsprogramm der Bibliothek am Luisenbad

Liebe Patricia Zielke, seit wann gehörst du zum Team hier in der Bibliothek am Luisenbad?

Ich bin seit Mai 2024 hier im Team und eine Quereinsteigerin als Bibliothekarin. Ich komme ursprünglich aus dem Verlagswesen, habe dort vor allem Lesungen organisiert und Autorenreisen koordiniert. Auch hier liegt mein Fokus auf dem Veranstaltungsmanagement.

Bist du ausschließlich für Veranstaltungen verantwortlich?

Nicht ausschließlich, aber das ist mein Schwerpunkt. Es gibt unterschiedliche Bereiche, die meinen Arbeitsalltag strukturieren. Ich bin zum Beispiel auch im Thekendienst dabei, im direkten Austausch mit unseren Nutzenden, die Medien ausleihen oder Fragen haben. Aber inhaltlich beschäftige ich mich vor allem mit dem Veranstaltungsprogramm für Erwachsene. Das soll weiter ausgebaut und gestärkt werden. Wir haben bisher einen großen Schwerpunkt auf Leseförderung, viele Kooperationen mit Kitagruppen und Grundschulklassen.

Woher kommt der verstärkte Fokus auf den Erwachsenenbereich?

Es finden schon seit Jahren tolle Formate statt. Aber die Kolleg*innen mussten das oft nebenbei organisieren und kuratieren. Jetzt ist es die Idee, die Fäden in einer Hand zusammenzuführen, damit die Abläufe optimiert werden. Und wir erhoffen uns davon ein noch breiteres Angebot für den Kiez.

Die Stelle ist also neu geschaffen worden?

Ja, genau so wie in anderen Bibliotheken im Stadtbezirk Mitte, etwa in der Schillerbibliothek am Leopoldplatz. Der Veranstaltungsbereich wird derzeit ausgebaut, um die Bibliothek als Dritten Ort weiter zu stärken. Es wäre toll, wenn wir noch mehr als eine Art erweitertes Wohnzimmer wahrgenommen werden würden.

Die Bibliothek heute ist mehr als nur der Ort, an dem man Bücher ausleihen und lesen kann?

Wir wollen die Bibliothek als einen Ort verankern, an dem die Menschen Wissen, Informationen und Unterhaltung nutzen und entdecken können. Darüber hinaus ist die Bibliothek ein Ort der Begegnung und des Austausches. Und durch ein breiteres Veranstaltungsangebot möchten  wir Gelegenheiten schaffen, zu denen die Menschen zusammenkommen. Und natürlich wollen wir ganz nebenbei auch auf unser Bibliotheksangebot hinweisen, denn das ist wirklich toll.

Wie macht ihr das?

Wir haben zum Beispiel diese wunderbare Filmreihe „Süß+Salzig“. Im Juli war die letzte Veranstaltung, dort haben wir „Isle of Dogs“ von Wes Anderson gezeigt – einen Film, den man auch hier in der Bibliothek ausleihen kann. Viele Menschen wissen nicht oder denken nicht daran, dass es bei uns viele Filme, Dokumentation oder Serien gibt, die digital oder als Hardcopy ausgeliehen werden können.

Fotoreihe von Veranstaltungen der Reihe „Süß+Salzig“

Was sind Hauptkriterien für die Zusammenstellung eures Veranstaltungsprogramms?

Es soll am besten für jeden etwas dabei sein. Es gibt nicht nur die klassische literarische Lesung, nein, wir haben uns über die Jahre einen Namen machen können als Ort für Comics und Graphic Novels. Seit 2018 findet das ComixBad hier bei uns statt. Das war ursprünglich ein Treffpunkt für ein Fachpublikum aus Verlagen, Autoren, Illustratoren, Medienpädagogen und Journalisten. Inzwischen ist das eine richtige kleine Messe geworden, bei der die Verlage sich vorstellen. Es kommen Leute aus ganz Deutschland, Verlage aus Österreich und der Schweiz. Hier wird über neue Themen und Trends diskutiert, man sieht tolle Sachen, etwa wie Comics und Graphic Novels bestimmte Themen behandeln. Inzwischen ist das Feuilleton auf das Genre aufmerksam geworden, aber 2018 war das noch nicht unbedingt so. Da sehen wir uns ein Stück als Wegbereiter, worauf wir stolz sind. Teil von ComixBad ist ein Rahmenprogramm mit Lesungen, in der Bibliothek gibt es eine Ausstellung mit den neuesten Büchern, die natürlich auch ausgeliehen werden können.

Welche Veranstaltungen für Erwachsene gibt es noch?

Da haben wir den ganz wunderbaren Musik-Salon Luise. Der findet jeden zweiten Mittwoch im Monat statt. Eine Kollegin kuratiert diese Reihe, in der unterschiedliche Bands, Solisten und Musiker Konzerte in ganz unterschiedlichen Genres geben. Manche davon haben auch einen äußeren Anlass. So widmet sich zum Beispiel die nächste Veranstaltung dem 125. Geburtstag von Erich Kästner. Diese musikalische Lesung unter dem Titel „Ich kam zur Welt und lebe trotzdem weiter“ findet am 11. September statt. Meistens finden die Veranstaltungen im Puttensaal statt, aber im Sommer gibt es auch Konzerte auf dem Vorplatz. Da kann man dann besser tanzen.

Außerdem haben wir noch die klassischen Lesungen. Das Schöne an so einer Lesung ist, dass man als Lesende oder Lesender direkt mit den Produzenten der Texte ins Gespräch kommt. Und hier sind die Lesungen für das Publikum kostenlos.

Ein großes Highlight ist unser Escape-Room. Er ist im Rahmen eines Projektes vor ein paar Jahren entstanden, unterstützt von einer Firma, die sich mit der Konzeptionierung und Umsetzung von Escape-Rooms auskennt. Thematisch geht es um ein verschollenes Manuskript von Kurt Tucholsky, der unweit von hier geboren wurde. Bis zu sechs Personen können sich bei uns anmelden und kostenlos dieses Escape-Room-Spiel durchlaufen. 

Ist das für Jugendliche oder für Erwachsene?

Eigentlich gedacht ist es für alle ab 14 Jahren. Aber bei den Jüngeren achten wir darauf, dass auch Erwachsene dabei sind. Ich habe es selbst erst vor zwei Wochen mit einigen Kolleg*innen gespielt und es macht wirklich großen Spaß.

Wie lange dauert es ungefähr?

Eine Stunde. Es ist kostenfrei. Leider können wir es nur freitags anbieten, um 16:00 und um 17:30 Uhr. Am 6. September, wenn die Schule startet, kann man sich für den Escape-Room wieder anmelden.

Gibt es für die Veranstaltungen ein eigenes Budget?

Es ist eine Art von Mischkalkulation aus eigenen Mitteln der Bibliotheken, gestärkt durch Fördermittel aus Landes-, Bundes- und europäischen Töpfen. Ein aktuell laufendes Projekt ist ein Gaming-Raum für junge Erwachsene und Jugendliche. Auch jetzt hat die Bibliothek schon Gaming-Angebote, etwa eine Nintendo Switch und andere Konsolen. Die können teils auch in der Bibliothek genutzt werden. Allerdings kommen wir dann manchmal in Schwierigkeiten, wenn die Spielenden zu euphorisch sind und damit die Lesenden stören. Deshalb freuen wir uns sehr auf das eigene „Spiele-Reich“, das wir bald anbieten können. Wir sind ja nicht nur ein Ort des Wissens, sondern auch der Unterhaltung. Und klar freuen wir uns, auf diesem Weg Jugendliche mit der Institution Bibliothek vertraut machen zu können. Und es geht auch um Medienkompetenz.

Wie ist die Verankerung der Bibliothek im Kiez, auch unter dem Gesichtspunkt, dass hier viele Menschen mit Migrationshintergrund leben?

Wir sind ständig im engen Austausch mit vielen Leuten aus der Nachbarschaft. Zum Beispiel haben wir am 20. September die Veranstaltung „Express durch den Wedding“, die auf Anregung einer Kiezbewohnerin geplant wird. Sie hat Menschen und Autor*innen aus dem Wedding zusammengetrommelt, die an diesem Tag Texte über unseren Kiez vorlesen werden. Wir treffen regelmäßig Weddinger Quartiersmanagement-Teams, die neulich hier ihre Projektmesse veranstaltet haben. Da haben sich ganz viele QM-Projekte auf unserem Vorplatz vorgestellt. Außerdem haben wir ein großes Medienangebot in verschiedenen Sprachen. Einiges auf Türkisch, Arabisch, aber auch auf Rumänisch, Ukrainisch, Russisch. In diesen Sprachen haben wir auch viele Kinderbücher.

Die Bibliothek liegt im QM-Gebiet Badstraße. Gibt es dort eine enge Verbindung?

Ja, auf jeden Fall. Die Kolleg*innen informieren uns über verschiedene Fördermöglichkeiten, von denen wir als Bibliothek profitieren können. Wir konnten einen Antrag stellen, der uns als außerschulische Begegnungsstätte für Kinder und Jugendliche unterstützt. Wir haben drei Mal pro Woche Hausaufgabenhilfe hier, sind oft Lernort – gerade vor Abschlussprüfungen. Nun haben wir Mittel für neues Mobiliar für diese Zielgruppe bewilligt bekommen, mit Unterstützung des QM.

Die Bibliothek am Luisenbad ist bekannt für ihre Aktivitäten in der Leseförderung. Was genau macht ihr da?

Ich habe ganz wunderbare Kolleg*innen, die das zum Teil schon seit mehr als 20 Jahren betreuen. Sie gehen aktiv auf Kita-Gruppen und Grundschulklassen zu. Daraus entstehen enge Kooperationen. Wir laden öfter Kindertheater-Ensembles ein, zu deren Veranstaltungen sich die Kitas und Schulklassen anmelden können. Dadurch haben sie selbst wenig organisatorischen Aufwand, aber ein tolles kulturelles Angebot für die Kleinen. Die Kinder lernen dabei die Bibliothek als einen Ort kennen, an dem sie schöne Erlebnisse haben, wo man willkommen ist.

Über eine Gruppe haben wir noch nicht gesprochen: die Älteren. Habt ihr dort auch Angebote?

Ja, wir haben einen Veranstaltungsschwerpunkt für Seniorinnen und Senioren. Es gibt zum Beispiel eine Workshopreihe für Personen ab 60. Unter dem Titel #Berta gibt es dort Impulsvorträge zu Themen, die uns alle angehen, zum Beispiel Resilienz, persönliche Vorsorge oder Wohnung ausmisten. Es gibt immer ein Referat und im Anschluss Diskussion. Das ist zumeist sehr lebendig.

Seid ihr zufrieden mit dem Raumangebot, dass ihr hier anbieten könnt?

Mehr wäre natürlich immer schöner. Aber mit diesem wunderschönen historischen Gebäude, zwei Gruppenräumen, dem Puttensaal, Lesegarten und Vorplatz sind wir schon gut aufgestellt. Unsere Räume stellen wir auch Vereinen zur Verfügung oder es finden manchmal Workshops statt.

Räume und Außenbereich der Bibliothek

Wenn du dir etwas wünschen könntest, ganz unabhängig vom Raumangebot oder vom Budget – was wäre das?

Ich fände ein literarisches Festival klasse oder eine Reihe für Debüt-Autorinnen und Autoren. Das wäre spannend. Aber mal sehen, was noch passiert, wir sehen ja jetzt schon, dass vieles möglich ist. Und wir sind wirklich gut verankert. Vor Kurzem kam ein Schauspieler, der im Kiez lebt, auf uns zu und hat angeboten, dass er eine Leseveranstaltung bei uns macht. Das ist für uns besonders schön, wenn wir mit Anwohner*innen dem Kiez etwas zurückgeben können. Und es ist schön zu sehen, dass die Leute uns auf dem Schirm haben als Standort auf der kulturellen Landkarte Berlins.

Gibt es eigentlich Planungen, auch ein gastronomisches Angebot in der Bibliothek zu verankern?

Das wäre ganz wunderbar, hier zum Beispiel ein kleines Lesecafé zu haben. Draußen an der Fassade sind noch historische Aufschriften, da steht „Kaffee“ und „Küche“. Hier war ein Ort, zu dem die Menschen aus der Nachbarschaft gekommen sind, um hier ihren Kaffee zu kochen. Viele hatten damals keine oder nur eine mangelhafte Wasserversorgung. Wenn wir dort anknüpfen könnten, wäre das natürlich toll. Meist sind es die baulichen Gegebenheiten, die einem gastronomischen Angebot entgegenstehen. Die wenigsten Bibliotheken sind als solche gebaut worden, meistens sind es Umnutzungen von Gebäuden. Bei unseren Veranstaltungen versuchen wir meistens, Getränke auf Spendenbasis anzubieten. Bei „Süß+Salzig“ gibt es gratis Popcorn. So etwas erweitert natürlich das Erlebniselement: Wir haben eine große Leinwand, ein toller Film läuft und das Popcorn knistert in der Tüte.

Am 7. September gibt es wieder den Panke Parcours. Seid ihr dabei?

Na, selbstverständlich! Wir sind in diesem Jahr zum ersten Mal der Eröffnungsstandort. Für unser Bibliotheksteam ist das immer ein ganz besonderer Termin, weil so viele Leute durch den Kiez strömen und sicher auch viele die Bibliothek als neuen Ort für sich entdecken. Unser Vorplatz ist wieder ein Bühnenstandort. Wie schon im letzten Jahr wird hier das Walross residieren. Darauf freuen wir uns schon sehr.

Interview und Fotos, sofern nicht anders angegeben: Johannes Hayner