IDEEN, AUSTAUSCH, NEUE PERSPEKTIVEN
Auf der Bildungswerkstatt für den Badstraßenkiez
Am Montag, dem 23. September, wurde die Bibliothek am Luisenbad zum Schauplatz einer Veranstaltung, die sich ganz der Bildungsszene im Badstraßenkiez widmete. Im Puttensaal und später auf dem Vorplatz arbeiteten engagierte Teilnehmende zusammen, um frische Ideen für die Bildungslandschaft in ihrem Viertel zu entwickeln. Eingeladen zur Bildungswerkstatt hatte das QM-Projekt „Netzwerk Kiezbildung“ sowie das Quartiersmanagement-Team (QM-Team) Badstraße.
Ein Raum voller Kreativität
Die Atmosphäre im Puttensaal knisterte vom konzentrierten Austausch. Fünf Arbeitstische waren aufgestellt, an denen Ideen gesammelt und diskutiert wurden. Und das nicht nur im vorauseilenden Konsens, wie Teilnehmer Ole Zwingelberg von der Kaspar-Hauser-Stiftung berichtete: „Die Aufgaben, vor denen wir stehen, sind viel zu groß und zu komplex, als dass wir sie alle nur aus unserer Bubble heraus betrachten könnten. Wir müssen raus aus der Komfortzone. Darüber hatten wir am Tisch einen engagierten Disput.“
An den Stelltafeln, die neben den Tischen standen, wurden die gesammelten Stichpunkte festgehalten. Nach der Gruppenphase zogen die Teilnehmenden nach draußen, um ihre Ergebnisse Passantinnen und Passanten vorzustellen. Und für die Kinder gab es ein tolles Angebot: Spielmöglichkeiten und kreative Malaktionen auf dem Vorplatz.
Moderation durch erfahrene Köpfe
Die Veranstaltung wurde von Annette Nägele und Jenny Howald geleitet, zwei erfahrenen Prozessbegleiterinnen, die das Projekt „Netzwerk Kiezbildung“ steuern. Gemeinsam bringen sie ihre Expertise in Schulentwicklungsberatung und Netzwerkarbeit ein und koordinieren seit zwei Jahren das Netzwerk, das sich am Ende selbst tragen soll. Annette betont die Wichtigkeit von Kooperationsprojekten: „Wir wollen, dass Projekte entstehen, an denen mehrere Träger beteiligt sind. Ab nächstem Jahr haben wir sogar ein Budget, um solche Projekte zu fördern.“
Ein vielfältiges Publikum
Die Teilnehmenden der Werkstatt waren eine bunte Mischung aus Stadtteilmüttern, Vertretern von Schulen, Kitas, außerschulischen Bildungsträgern und sogar Mitarbeiter der Senatsverwaltung und des Bezirksamtes. Ralf Kersten vom QM-Team eröffnete den Tag mit einem Input-Referat, das einen Überblick über die Bildungslandschaft im Kiez gab. Der Fokus lag auf der Frage: „Was braucht der Kiez über das bestehende Angebot hinaus?“ Die Ergebnisse der Gruppenarbeit sollen auch in das integrierte Handlungs- und Entwicklungskonzept (IHEK) einfließen, das die Grundlage der QM-Arbeit bildet.
Jenny Howald berichtete, dass die Heterogenität der Gruppe zu einem „sehr großen Blumenstrauß an Themen“ geführt hat. „Das hat mich positiv überrascht“, sagt sie. „Jeder hat einen anderen Blick auf Bildung.“ Ein überraschendes Thema war für sie die Feststellung, dass die Ämter besser auf die Bedarfe der Quartiere eingehen müssen – ein Thema, das ausgerechnet von Vertretern der Verwaltung eingebracht wurde. Daraus leite sich zwar keine Aufgabe für das Projekt „Netzwerk Kiezbildung“ ab, aber es sei interessant, dass dort die Anschlussfähigkeit an die Problemlagen im Kiez kritisch reflektiert werde.
Dringende Themen und konkrete Projekte
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der angesprochen wurde, sind die Übergänge zwischen den Bildungseinrichtungen. Jenny erzählte: „Wir hören aus den Grundschulen, dass einige Kinder, die einen Kindergarten besucht haben, kein Wort Deutsch sprechen.“ Dies wirft die Frage auf, wie die Qualität der frühkindlichen Bildung verbessert werden kann. Annette ergänzte, dass auch Themen wie Sprachbildung und die Zusammenarbeit mit Eltern immer wieder aufgegriffen werden. „Das sind richtiggehende Evergreens in der Bildungsdiskussion.“
Einige Workshop-Teilnehmende arbeiteten an konkreten Projektideen, die mit Unterstützung des Quartiersmanagements realisiert werden könnten. Anderen ging das zu weit, sie wollten zunächst eine grundsätzliche Basis für die nötigen Schritte herstellen. Dabei war es wichtig, die Ergebnisse nicht nur zu sammeln, sondern auch in den Diskurs zur Entwicklung der Bildungslandschaft einzubringen. „Wir haben viel zu tun, viele Umbrüche im Kiez, im Land, auf der Welt“, betont Ole Zwingelberg. „Wir müssen gemeinsam überlegen, was wirklich wichtig ist.“
Stimmen aus der Gemeinschaft
Die Teilnehmenden brachten unterschiedliche Perspektiven und Anliegen in die Diskussion ein. Sherin Striewe von WIB e.V. war froh, das Quartiersmanagement besser kennenzulernen und neue Kontakte zu knüpfen. „Ich habe viele Anstöße bekommen, die mich in meiner Projektkoordination weiterbringen“, sagt sie. Ursula Schade von der Seniorenvertretung Mitte fand es wichtig, auch die Belange von Senioren in den Austausch einzubringen: „Jugend und Senioren fallen oft hinten runter, daher war ich froh, hier Gehör zu finden.“
Aylin, die als Bundesfreiwillige beim Verein WIB e.V. tätig ist, fühlte sich als einzige Jugendliche am Tisch gehört: „Es war ein gutes Gefühl, dass meine Sichtweise wertgeschätzt wurde.“ Sie hofft, dass mehr Jugendliche motiviert werden, sich aktiv zu beteiligen, denn sie gestalten den Kiez der Zukunft.
Und Jon Rohrbach vom Bezirksamt Mitte betonte, dass Bildung in Kiezen mit sozialen Ungleichgewichten ein Kernthema sei: „An der Qualität der Bildung entscheidet sich, wie die Menschen an der Gesellschaft teilhaben könne“, sagt er. Dies wirft Fragen auf, wie die Einrichtungen besser unterstützt, aber auch gefordert werden können. Es könne nicht sein, meinte er in Bezug auf das oben genannte Beispiel, dass mit staatlichen Geldern geförderte Kitas Kinder in die Schulen entlassen, die kaum Deutsch verstünden.
Ausblick auf die nächsten Schritte
Die Bildungswerkstatt ist natürlich nicht das Ende der Diskussion. Das nächste Projekt im Netzwerk Kiezbildung ist eine Sonderveranstaltung zum Übergang zwischen Kita und Grundschule, die beide Einrichtungen zusammenbringt. Die monatlichen Netzwerktreffen bieten zudem Raum für kontinuierlichen Austausch und die Entwicklung neuer Ideen.
Insgesamt zeigt die Bildungswerkstatt, wie wichtig der Austausch zwischen verschiedenen Akteuren ist, um die Bildungslandschaft im Badstraßenkiez aktiv zu gestalten. Die Vielfalt der Perspektiven und das Engagement der Teilnehmenden versprechen eine lebendige und kooperative Zukunft für die Bildungsarbeit im Kiez. Mit konkreten Ideen und einem belastbaren Netzwerk kann der Badstraßenkiez ein Ort des Lernens und der Innovation sein.
Text und Fotos: Johannes Hayner