Musik, Begegnung und gute Laune
Januarfest in der Grüntaler Kiezoase „Forever Young“
Zwischen Beats und Begegnung: Wie das Januarfest Alt und Jung verbindet
Ein Freitag im Januar, draußen ist es grau und kalt, doch drinnen in der Grüntaler Kiezoase herrscht eine wohlige Wärme – nicht nur wegen der Heizungen, sondern vor allem wegen der Stimmung. Hier wird Januarfest gefeiert, eine Veranstaltung, die ganz im Zeichen der Gemeinschaft steht. Musikalische Unterhaltung, gutes Essen und interessante Gespräche prägen den Nachmittag. Doch das Fest ist mehr als nur ein lockeres Beisammensein – es ist ein lebendiges Experiment, ein soziales Projekt mit einem großen Ziel: Menschen zusammenzubringen, die sich sonst vielleicht nie begegnet wären.



Ein kunterbunter Musikmix und herzliche Begegnungen
Am DJ-Pult sorgen MC Knicki & DJ Kröte für die musikalische Untermalung. „Wir sind kein Chor, wir sind Hardcore!“, so das augenzwinkernde Motto der Musiker, die mit einer Mischung aus Golden Earring, Udo Jürgens, Marianne Rosenberg und Queen das Publikum zum Mitsummen und Kopfnicken bringen. Als dann „Aber bitte mit Sahne“ ertönt, hören wir ein erschrockenes Lachen aus der Küche. Derya, die heute gekocht hat, fällt ein, dass die Sahne für den Kuchen noch im Kühlschrank steht. Gerade noch rechtzeitig: Die ersten Stücke des selbstgebackenen Apfelkuchens sind schon auf Tellern verteilt.
Während einige die Musik genießen, unterhalten sich andere angeregt oder greifen beherzt am Buffet zu. Die Gäste sind so bunt gemischt wie die Playlist: Einige Senioren, die regelmäßig vorbeischauen, gesellen sich zu Studierenden von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, die sich für ihr Uni-Projekt mit dem sozialen Leben im Wedding auseinandersetzen. Eine ältere Dame erzählt begeistert, dass sie einmal die Woche zum Gymnastik-Training kommt und sich jedes Mal auf die Kiezfeste freut. „Es ist einfach schön, mal rauszukommen, neue Leute zu treffen und gemeinsam etwas zu erleben“, sagt sie und nimmt sich eine Portion der vegetarischen Gemüsepfanne.
Neue Leute willkommen! – Das Projekt der Studierenden
Mit genau dieser Idee beschäftigt sich auch die Gruppe junger Menschen, die wir und die uns beim Eintreten fragend angesehen haben – bis das Eis mit einem Lachen bricht. Die sechs Studierenden aus Eberswalde – Sebastian, Smilla, Lotta, Miri, Johanna und Louis – haben sich im Rahmen eines Nachhaltigkeitsprojekts der Herausforderung gestellt, die Grüntaler Kiezoase bekannter zu machen. Ihr Ziel: Menschen erreichen, die unter Einsamkeit leiden, und sie wieder in eine Gemeinschaft integrieren.

„Wir haben Flyer verteilt mit dem Slogan ‚Neue Leute Willkommen!‘ in mehreren Sprachen. An zwei Tagen haben wir uns in den Kiez gestellt, mit Menschen gesprochen und sie eingeladen“, erklärt Smilla, eine der Studierenden. Der Erfolg ist noch überschaubar – es sind einige neue Gesichter dabei, aber der Großteil der Gäste gehört zum festen Kern. Dennoch lassen sie sich nicht entmutigen. „Wir wollen einen Leitfaden entwickeln, wie man regelmäßig und effektiv für solche Veranstaltungen werben kann.“
Kiez-Oase: Mehr als ein Ort – eine Idee
Jörg Strombach, Leiter der Grüntaler Kiezoase, sieht genau darin das Herzstück seiner Arbeit. „Wir sind eine Art Real-Labor“, sagt er. „Hier wird ausprobiert, was soziale Nachhaltigkeit konkret bedeutet.“ Karuna eG – die Sozialgenossenschaft mit Familiensinn, Trägerverein dieser Einrichtung, setzt stets auf neue Herangehensweisen im sozialen und Bildungssektor. „Wir testen dieses Fest-Format jetzt erstmal aus und werden sicher jedes Mal irgendeinen Baustein verändern. Aber der Kiez kann sich darauf verlassen, dass es in Zukunft regelmäßig hier Festlichkeiten gibt. Und zwar ‚amtlich‘!“, freut sich augenzwinkernd der nette Oasen-Chef , der ‚Forever young‘, den Namen der Einrichtung, vorzüglich verkörpert.
Strombach erzählt, dass es nicht nur darum gehe, Räume bereitzustellen, sondern echte Begegnungen zu schaffen. „Wir haben festgestellt, dass Menschen sich oft wünschen, mehr Kontakt zu haben, aber nicht wissen, wo sie anfangen sollen. Gerade ältere Leute sagen: ‚Wir wollen mit jungen Menschen zusammen sein.‘ Aber umgekehrt ist das genauso. Wenn wir das ermöglichen, haben wir einen Gewinn für beide Seiten.“
Deshalb gibt es in der Kiez-Oase nicht nur Essen und Musik, sondern auch Bildungsangebote, Kunstkurse und gemeinsame Aktivitäten. „Unser musikalischer Direktor Knicki-Knacki hat zum Beispiel die Musikalische Späterziehung ins Leben gerufen“, erzählt Jörg mit einem Grinsen. „Da sitzen dann 70-Jährige am Klavier und entdecken ihre Liebe zur Musik neu. Manche lernen Gitarre, andere singen – und alle haben Spaß.“




Auch praktische Hilfsangebote sind Teil des Konzepts: „Im Sommer bieten wir kühle Räume an, haben ein gefiltertes Wassersystem zur Erfrischung für alle, die eine Pause brauchen. Wir arbeiten mit den Johannitern zusammen, um Ältere zu Hitzeschutzlotsen auszubilden.“ Ein weiteres Anliegen ist es, Menschen unabhängig von finanziellen Hürden ein Angebot zu machen. „Hier kostet das Essen nichts, der Kaffee nichts – weil wir glauben, dass soziale Teilhabe nicht am Geldbeutel scheitern darf. Gerade in problembehafteten Bezirken Berlins wie hier im Wedding sollte man viel öfter und sehr niedrigschwellig die Türen für alle öffnen, die kommen mögen. Es entstehen neue soziale Kontakte, viele Überraschungen und es bringt viel Freude ins Leben und die Gesichter, wie man hier sehen kann. Gerade für ‚Menschen mit viel Lebenserfahrung‘, die jedoch im Alter immer weniger Kontaktmöglichkeiten haben, ist das unser Schlüssel zu ihren Herzen. Und es sind so tolle Menschen hier – die sich dann öffnen und gesellschaftliche Teilhabe erleben – das macht happy!“ gerät Jörg Strombach ins Schwärmen.
Und wie geht’s weiter?
Die Grüntaler Kiezoase ist erst im Frühjahr 2024 in ihre jetzige Form übergegangen, doch das Projekt wächst stetig. Die regelmäßigen Kiezfeste sollen fortgesetzt werden, das nächste ist bereits in Planung: Am 21. März lädt die Oase zum „Märzfest“ ein. Vielleicht mit noch mehr Gästen, vielleicht mit neuen Ideen – aber sicher mit genauso viel Herzblut und Engagement.
Ob nun mit Musik, gemeinsamen Essen oder einfach nur netten Gesprächen – die Kiez-Oase bleibt ein Ort, an dem Wedding zusammenkommt. Und das ist in einer Zeit, in der viele Menschen vereinsamen, wichtiger denn je.
Text und Fotos: Finn Gerlach, Johannes Hayner